Eifeler Nachrichten, Katharina Isabel Franke

Lockere Runden mit spannenden Themen

Erster „Food and Talk“ des Jugendbeirats Roetgen mit lokalen Politikern. Kennenlernen mit kleinen und größeren Bekenntnissen.

Florian Rohn vom Jugendbeirat Roetgen äußert sich übrigens noch nachdenklich mit Blick in die Nachbargemeinde: „In Simmerath ist der Jugendbeirat vor einigen Tagen abgelehnt worden. Das ist schade. Man sieht ja, dass es Sinn macht, dass es uns gibt. Wer politische Partizipation nicht haben will, begünstigt Politikverdrossenheit.“

Roetgen. Die Koordinationsstelle für Jugendpartizipation der Städteregion Aachen und der Jugendbeirat Roetgen veranstalteten kürzlich erstmalig ein „Food and Talk“ („Speisen und Reden“) mit sieben Roetgener Politikern im Gasthaus Marienbildchen.

Es ging um Persönliches und Politisches in entspannter Atmosphäre beim „Food and Talk des Jugendbeirats Roetgen mit sieben Lokalpolitikern. Hier ist Dr. Georg Dittmer von der FDP im Gespräch mit den Jugendbeiratsmitgliedern. Foto: Katharina Isabel Franke

Sieben Thementische waren dazu von den Jugendlichen vorbereitet worden, die den Bereichen Ortsentwicklung, Soziales, Mobilität, Jugendbeteiligung, Persönliches und Europa gewidmet waren. An jedem Tisch konnten die Jugendlichen die teilnehmenden Politiker Stephan Speitkamp (CDU), Anita Buchsteiner (PRB), Dr. Georg Dittmer (FDP), Ingrid Karst-Feilen (Grüne), Silvia Bourceau (UWG), Janine Köster (SPD) und Bürgermeister Jorma Klauss (SPD) mit Fragen löchern. Die letzte Station – „Heißer Stuhl“ – rundete das „Food and Talk“ mit ungewöhnlichen Fragen ab, die besondere Erkenntnisse über die befragten Personen zu Tage förderten. Stephan Speitkamp bekannte etwa, einmal geweint zu haben, als er Wahlergebnisse im Fernseher sah. Und „smartphonesüchtig“ sind laut eigener Aussagen Janine Köster und Jorma Klauss.

Der Bürgermeister hatte auch die einleitenden Worte zum „Food and Talk“ gesprochen: „Ich freue mich auf diese Premiere heute Abend. Unser Jugendbeirat ist uns sehr wichtig, und wir schätzen die intensive Beteiligungsmöglichkeit.“

So etwas sollte es auch mal mit Erwachsenen geben. Eine tolle Veranstaltung.

Silvia Bourceau
UWG Roetgen, Teilnehmerin bei „Food and Talk“

Fragen an sieben Tischen

Mit dem ersten von vier Essensgängen begann die Fragerunde, die Silvia Bourceau an den Tisch „Persönliches“ führte. Die Mutter von vier Kindern, die den Beruf der Versicherungskauffrau erlernte, erzählte von ihrem Weg in die Politik: „Ich bin kein Politiker. Ich habe Interesse an meinem Ort, und dann hat sich die UWG gegründet.“ Der dienstälteste anwesende Politiker, Dr. Georg Dittmer, der seine Dissertation über Teilchenphysik verfasste und privat gerne Bogenschießen betreibt, sprach über seine ersten politischen Erfahrungen: „Ich habe mich von Anfang an für die Erhaltung der Rosentalstraße mit ihren wunderschönen Häusern eingesetzt.“

Bürgermeister Jorma Klauss beantworte die Frage: „Macht ihnen die politische Arbeit Spaß?“ Bereut habe er die Übernahme seines Amtes noch nie, aber sich schon „oft geärgert“ über den Umgang mit Politikern in den sozialen Medien. Die „Nazicrowd“, die einen „Shitstorm“ verursachte hatte, als die Gemeinde das Haus für geflüchtete Menschen einweihte, habe ihn „nachdenklich“ gemacht. „Das ist Auskotzen im schlechten Stil.“ Er verriet den Jugendlichen im persönlichen Teil, dass sein Lieblingsrapper Jan Delay ist.

Die Frage „Gibt es ein besonderes Projekt, das sie in Zukunft in Angriff nehmen möchten?“ machte den Jugendlichen deutlich, wie unterschiedlich Politik ausgerichtet sein kann. Während Georg Dittmer einen zentralen Bushof und einen großen Kinderspielplatz forderte („Dafür ist der Platz einfach da“) möchten SPD und CDU die Entwicklung des Ortskernes zunächst mit einer Ampel an der Rosentalstraße vorantreiben. Ingrid Karst-Feilen wünscht sich einen Ansprechpartner für ältere Mitmenschen. Silvia Bourceau sagte: „Mein Projekt ist das Dorf.“

Auf die Frage „Wie bewerten sie die aktuelle politische Lage im Rat der Gemeinde Roetgen?“ gab es emotionale Antworten: „Schwierig und arbeitsintensiv“ nannte sie Karst-Feilen, „anstrengend“ empfindet sie Janine Köster, „zerredet und unterirdisch“ ist die Lage laut Stephan Speitkamp und Anita Buchsteiner empfindet die Situation als „unberechenbar“. Bürgermeister Jorma Klauss erkannte „Stilprobleme“, Dr. Georg Dittmer forderte, dass „der Bürgermeister mehr steuert, da sich jeder nur noch vordrängelt“, und Silvia Bourceau hofft, „dass es bald besser geht“.

Die Jugendlichen beleuchteten auch das überregionale politische Geschehen. Auf die Frage „Wie finden sie die neue ‚Groko‘?“outeten sich Silvia Bourceau und Janine Köster als Kevin-Kühnert-Fans, während Jorma Klauss bekannte, für die „Groko“ gestimmt zu haben, sich „aber Schöneres vorstellen“ zu könne. Ingrid Karst-Feilen meinte: „Lieber Jamaika mit Bauchschmerzen, als ‚Groko‘.“ Dr. Georg Dittmer sieht die „Groko“ als „notgedrungen“ an und fügte an: „Ich war an diesem einen Abend schon ärgerlich mit Christian Lindner.“

Auch das Thema der „Vereinigten Staaten von Europa“ beschäftigte die jungen Roetgener Bürger. Janine Köster warnte diesbezüglich vor einem „Einheitsbrei“. „Offene Grenzen führen zu mehr Kriminalität“, konstatierte Stephan Speitkamp. und Jorma Klauss sprach sich für offene Grenzen aus und für den „Exit from Brexit“. „Das fände ich super“, so der Bürgermeister.

Nach dem Dessert endete die dreistündige Veranstaltung. Silvia Bourceau, die gerne Paddington-Filme schaut und ihr Popcorn lieber süß als salzig mag, resümierte nach dem „Food and Talk“: „Ich finde, sowas sollte es auch mal mit Erwachsenen geben. Am besten direkt im Bürgersaal. Eine tolle Veranstaltung.“ Stephan Speitkamp war gerne gekommen, um parteiunabhängig Jugendliche an die Politik heranzuführen: „Wenn ich sage ‚CDU ist toll‘, gewinne ich keinen Nachwuchs. Heute ging es um Sachfragen und nicht um Couleur.“

Nach der von allen Beteiligten positiv bewerteten Veranstaltung, über deren Wiederholung bereits nachgedacht wurde, äußerte sich Florian Rohn vom Jugendbeirat Roetgen übrigens noch nachdenklich mit Blick in die Nachbargemeinde: „In Simmerath ist der Jugendbeirat vor einigen Tagen abgelehnt worden. Das ist schade. Man sieht ja, dass es Sinn macht, dass es uns gibt. Wer politische Partizipation nicht haben will, begünstigt Politikverdrossenheit.“

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