Eifeler Zeitung, Andreas Gabbert - Heiner Schepp

„Nordeifel ohne Geburtshilfe ist undenkbar“

Entsetzen, Wut und Trauer nach Bekanntwerden der Schließungspläne an St. Brigida. Wirtz: „Alles daran setzen, eine Lösung zu finden.“ Keine Kündigungen .

Simmerath/Nordeifel. Mit Entsetzen, Wut und Trauer hat die Öffentlichkeit auf die Nachricht vom Ende der Geburtshilfe am Krankenhaus Simmerath reagiert. „Das ist ein trauriger Tag für die Eifel“ oder „Es geht leider nur noch um Profit!“ war überall zu hören und in den sozialen Netzwerken zu lesen.

Viele Bürger und Betroffene aber wollen die Entscheidung noch nicht als endgültig hinnehmen, sie wollen, wie 2008, notfalls für den Erhalt der Geburtshilfe auf die Straße gehen und sehen nun vor allem die Politik in der Pflicht. Die Lokalredaktion Nordeifel hat dazu Reaktionen gesammelt.

Der Vorwurf der Profitgier trifft hier wirklich nicht zu.

Karl-Heinz Hermanns
Bürgermeister der Gemeinde Simmerath und Beirats-Vorsitzender

„Das ist ein tief-schwarzer Tag für die Eifelklinik und alle werdenden Mütter in der Eifel“, kommentierte Simmeraths Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns die Mitteilung des Krankenhauses, die er selbst erst eine halbe Stunde vor der Veröffentlichung telefonisch erhalten hatte. Er sei als Vorsitzender des Krankenhaus-Beirats in die Bemühungen um eine Fortführung der Geburtshilfe einbezogen gewesen und habe bis zuletzt an eine positive Lösung geglaubt. „Um so überraschter war ich am Mittwochabend über die Nachricht von Dr. Behar.“ Er werde nächste Woche „ein weiteres, intensives Gespräch mit der Krankenhausleitung“ führen, kündigte Hermanns an, wobei es auch um die Frage gehe, ob die Schließungspläne das letzte Wort sind.

Vehement wies Hermanns den Vorwurf zurück, die personelle Situation bei den Hebammen sei für den Träger eine willkommene Gelegenheit, eine defizitäre Abteilung zu schließen: „Artemed hat über Jahre das Defizit der Geburtshilfe mit anderen Abteilungen abgedeckt und große Investitionen in den Kreißsälen getätigt. Der Vorwurf der Profitgier trifft hier nun wirklich nicht zu“, glaubt er.

29. März 2008: 3000 Menschen gehen in Simmerath für den Erhalt des Krankenhauses– damals noch in Trägerschaft der Malteser– und vor allem die Fortführung der Geburtshilfe auf die Straße. Ging es damals jedoch einzig und allein um die Finanzierung der Klinik, so scheint dieses Mal der Fachkräftemangel die Ursache für die Schließungspläne sein. Foto: Archiv/Stollenwerk

Das sieht Hermanns‘ Monschauer Kollegin Margareta Ritter, völlig anders: „Ich bin voller Enttäuschung und Wut über das Vorgehen einer Klinikleitung, die vermutlich wirtschaftlichen Interessen folgt, eine Hebammenunterversorgung in den Vordergrund stellt und die Geburtshilfe für unsere ganze Region so einfach einstellt. Die angeführten Argumente scheinen nicht glaubhaft und wären mit gutem Willen und finanzieller Bereitschaft aus meiner Sicht lösbar.

Leider bleiben viele Fragen offen. Es scheint so, als hätte man bewusst in diese Personalsituation hineingesteuert, um die Geburtsstation schließen zu können. Diese Vorgehensweise ist unseriös und ein Skandal.

Solidarbeitrag denkbar

Die Stadt Monschau hat in der Vergangenheit zum Erhalt des Krankenhaus, ihren finanziellen Beitrag geleistet. Bei einer völligen Transparenz der Kosten, besonders der Hebammen und mit vertraglichen Garantien kann ich mir einen Solidarbeitrag einiger Kommunen in unserer Region vorstellen. Aber nur, wenn es den Hebammen zugute kommt.“

Axel Wirtz, stellvertretender Städteregionsrat: „Ich bin enttäuscht, dass das Thema jetzt wieder so heftig aufschlägt. Wir haben ja seinerzeit mit allen regionalen politischen Akteuren und lokalen Verantwortungsträgern eine tragfähige Lösung gefunden. Jetzt müssen schnellstens Gespräche geführt werden und muss alles daran gesetzt werden, dass eine Lösung gefunden wird. Das darf nicht daran scheitern, dass es keine sozialverträgliche Lösung für die Hebammen gibt. Für mich ist die Nordeifel ohne Geburtshilfe undenkbar.“

Stefan Kämmerling, Landtagsabgeordneter für die Nordeifel: „Nach der Schließung der Geburtenstation in Eschweiler vor anderthalb Jahren ist das nun die zweite, sehr bedauerliche, gesundheitsrelevante Nachricht für unsere Heimat – und das innerhalb weniger Monate. Wie zuvor in Eschweiler, so erfüllt mich auch die Entwicklung in Simmerath, von der ich leider erst aus der Tageszeitung erfahren habe, mit großer Sorge. Da mir persönlich keine näheren Informationen vorliegen, habe die ich Geschäftsführung und den Personalrat der Eifelklinik heute um ein kurzfristiges Gespräch gebeten.“

Marcus Laschet, Betriebsratsvorsitzender des Krankenhauses: „Wir haben in den vergangenen Wochen eng mit allen Beteiligten rund um die Geburtshilfe zusammengearbeitet und können guten Gewissens sagen, dass seitens des Hauses die Bereitschaft da war, die Abteilung wirklich zu jedem Preis aufrechtzuerhalten. Sei es durch das Angebot jeder denkbaren Anstellungsart für die Hebammen, die Übernahme der teuren Haftpflichtversicherung oder übertarifliche Bezahlung.

Entgegen der öffentlichen Meinung hat Geld hier tatsächlich keine Rolle gespielt. Trauriger Fakt ist: ohne Hebammen keine Geburtshilfe – und diese erfordert nun mal 672 Stunden Rufbereitschaft im Monat. Und diese wurden nun mal nicht angeboten.

Für uns als Betriebsrat hat der Erhalt der Arbeitsplätze im Haus oberste Priorität. Entsprechend freuen wir uns sehr, hier sicher sagen zu können, dass sich niemand Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen muss. Für deren Erhalt haben wir gemeinsam mit der Geschäftsführung in jedem Falle gesorgt. Hier suchen wir in den kommenden Tagen und Wochen im persönlichen Gespräch mit den Mitarbeitern eine individuelle Lösung.“

Dr. Behar: „Geburtsprozess ist weit weniger attraktiv als Vor- und Nachsorge“

Die Artemed-Gruppe als Träger der Eifelklinik Simmerath hat in der Stellungnahme zur Aufgabe der Geburtshilfe an die Entwicklung der Abteilung in ihrer Trägerschaft erinnert und Details zu den Bemühungen um die Fortführung der Geburtshilfe veröffentlicht.

Die Geburtshilfe in der Eifelklinik habe schon vor der Übernahme durch die Artemed vor acht Jahren auf tönernen Füßen gestanden, vor allem aufgrund geringer Geburtenzahlen. „Allerdings wussten wir immer, welche Bedeutung die Abteilung für die Region hat“, erklärt Geschäftsführer Dr. Benjamin Behar. „Ich bin selbst Vater dreier Kinder und weiß, wie wichtig es werdenden Müttern ist, an einem Ort entbinden zu können, an dem sie sich wohlfühlen. Vor diesem Hintergrund haben wir in den letzten Jahren erhebliche Maßnahmen unternommen, um die Qualität der Geburtshilfe zu erhöhen bzw. sicherzustellen.“

Nach und nach hatte sich die Abteilung weiter zum Positiven entwickelt – die Kreißsäle wurden unter modernsten Gesichtspunkten neu gebaut und die neue Wochenbettstation eröffnet. Nach der Verabschiedung von Chefarzt Dr. Sohr in den Ruhestand 2017 gelang es Chefarzt Dr. Cousin, der Klinikleitung und der Gemeinde Simmerath mit vereinten Kräften, großem Aufwand und nicht zuletzt dem immensen Engagement des verbleibenden Teams, die Abteilung mit der Einstellung von Facharzt Dr. Wilhelm Jost auch personell wieder stabil aufzustellen. Im Zuge einer nachhaltigen Vorwärtsstrategie habe man sich sogar bemüht, die Versorgung um eine Neonatologie zu erweitern, um die Qualität und Sicherheit der Simmerather Geburtshilfe noch weiter zu verbessern.

„Umso größer die Überraschung, als Ende März alle an der Klinik tätigen Hebammen – von einer Vertreterin abgesehen – mitteilten, dass sie ab dem 1. Mai 2018 nur noch für die prä- und postnatale Versorgung von Müttern, nicht mehr jedoch für die geburtshilfliche Begleitung im Klinikrahmen zur Verfügung stünden“, heißt es in der am Mittwochabend verbreiteten Erklärung des Krankenhauses. Nach ersten Gesprächen konnte diese Frist noch einmal um vier Wochen verlängert werden.

„Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, ob wir unsere Beleghebammen, mit denen wir über viele Jahre ein sehr vertrauensvolles und partnerschaftliches Verhältnis gepflegt haben, in ihrer Belastung wirklich einfach nicht gehört haben“, so Chefarzt Dr. Andreas Cousin. „Allerdings hatten wir über die Jahre hinweg sowohl angeboten, das Team zu erweitern als auch in den letzten Wochen Gespräche mit 13 potentiellen Kolleginnen geführt. Schlussendlich aber wurde deutlich, dass auch mit neuen Kolleginnen kein lückenloser Dienstplan aufgestellt werden kann.“

Auf Nachfrage hinsichtlich ihrer zeitlichen Präferenzen und Verfügbarkeiten hätten zwei der Hebammen, die zum 31. Mai ausgeschieden waren, insgesamt sechs Zwölf-Stunden-Dienste pro Monat angeboten, ausschließlich im Tagdienst. „Sechs weitere Kolleginnen zeigten sich im höheren Maße einbindungswillig. Damit einen Rufdienstplan aufzustellen, der den Einsatz rund um die Uhr inklusive Urlaubs- und Krankheitsvertretungen gewährleisten kann, war jedoch auch in einem letzten großen gemeinsamen Termin trotz Durchspielen verschiedenster Modelle, inklusive des Angebots einer Festanstellung oder der Übernahme der teuren Haftpflichtversicherung, nicht möglich. Letzten Endes blieb ein Drittel der Dienste unbesetzt“, so Pressesprecherin Esther Fernholz.

„Offenbar ist der Geburtsprozess, der sich ja durchaus auch über 24 Stunden und mehr hinziehen kann, in Bezug auf Zeitaufwand und Vergütung sehr viel weniger attraktiv als die Vor- und Nachsorge. Dass sich die Hebammen gerade vor familiären und gesundheitlichen Hintergründen hinsichtlich der Aufgabenverteilung innerhalb ihres Berufs umorientieren möchten, respektieren wir natürlich.

Dennoch ist es eben die Geburtsbegleitung, auf die wir in der Eifelklinik angewiesen sind. So sehr wir uns wünschen würden, die Abteilung weiter zu betreiben: Uns sind an dieser Stelle leider die Hände gebunden“, resümiert Dr. Benjamin Behar.

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