Eifeler Zeitung, Jutta Geese

Was macht die Städteregion eigentlich?

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Dienstleister für zehn Kommunen und 550.000 Menschen. Rückblick auf den schwierigen Weg seit der Gründung 2009

STÄDTEREGION Neun Jahre alt wird die Städteregion Aachen in wenigen Tagen. Seit dem 21. Oktober 2009 bilden der ehemalige Kreis Aachen mit seinen neun Kommunen und die Stadt Aachen unter diesem Namen offiziell eine kommunale Gemeinschaft. Diese soll einerseits den Bürgern Vorteile – man spricht meist von Mehrwert – bringen, etwa durch verbesserten Service – und zugleich Kosten und Personal sparen. Andererseits soll sie die Interessen der Region gegenüber Bezirksregierung, Land und Bund vertreten. Schon im Mai 2009 wählten die Bürgerinnen und Bürger der zehn Kommunen erstmals die parlamentarische Vertretung, den Städteregionstag (vergleichbar einem Kreistag), und den Städteregionsrat (vergleichbar mit einem Landrat) als Behördenleiter und höchstem politischen Repräsentanten. Aber für viele ist die Städteregion noch immer eine große Unbekannte.

Der Wohnort zählt

Dieses Schicksal teilt sie mit Verwaltungseinheiten ähnlicher Konstruktion, etwa der Region Hannover und anderen Kreisen. Die Menschen identifizieren sich eher mit ihrem Wohnort oder ihrem Stadtteil. Hand aufs Herz: Wer sagt schon, er komme aus der Städteregion Aachen, wenn er auf seine Herkunft angesprochen wird? Man ist Aachener oder präziser: Brander, Burtscheider oder Eilendorfer, man ist Eschweilerin, Alsdorfer oder Stolbergerin, Monschauer oder Roetgenerin, kommt aus Bardenberg (Würselen) , Setterich (Baesweiler), Merkstein (Herzogenrath) oder Lammersdorf (Simmerath).

Dennoch: (Fast) jeder hat schon einmal mit der Städteregion zu tun gehabt: wenn man sein Auto an-, ab- oder ummeldet etwa; oder wenn das Kind zur Schuleingangsuntersuchung muss; wenn man einen Schwerbehindertenausweis beantragt oder Elterngeld; wenn man Hilfe zum Lebensunterhalt oder zur Pflege erhält; oder wenn man ein Berufskolleg besucht. Die Städteregion nimmt vielfältige Aufgaben für die Bürger und die Kommunen wahr. Nicht immer erkennt der Bürger, dass er es mit der Städteregion zu tun hat. Für ihn ist einzig wichtig, dass sein Anliegen bearbeitet wird oder dass er sich darauf verlassen kann, dass etwa Lebensmittelbetriebe kontrolliert werden oder dass das Trinkwasser von guter Qualität ist. Wer was warum und in wessen Auftrag erledigt, spielt eher eine untergeordnete Rolle.

Kompliziertes Konstrukt

Bis heute müssen selbst Fachleute aus Politik und Verwaltung immer genau überlegen, was die Städteregion für wen macht. Denn das Konstrukt ist durchaus kompliziert: Der Kreis Aachen verschwand mit Gründung der Städteregion 2009 von der Landkarte. Sämtliche Aufgaben, die er auf der Grundlage der Kreisordnung NRW für seine Kommunen ausführte, gingen auf die Städteregion über. Die kreisfreie Stadt Aachen hingegen blieb kreisfrei mit den entsprechenden Rechten, gilt aber auch als regionsangehörig und übertrug einen Teil ihrer Aufgaben auf die Städteregion. Es gibt beispielsweise nur noch ein gemeinsames Gesundheitsamt, ein Ausländeramt, ein Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt und eine Schulaufsicht für die Grund-, Haupt- und Förderschulen. Das gemeinsame Straßenverkehrsamt, das Amt mit den mit Abstand meisten Bürgerkontakten im Jahr, gibt es übrigens schon viel länger als die Städteregion, nämlich seit 2001.

Doch jetzt wird es ein wenig kompliziert: Manche Aufgaben erledigt die Städteregion für alle zehn Kommunen, also auch für Aachen. Andere nur für die neun früheren Kreiskommunen, manches auch nur für einen Teil der früheren Kreiskommunen. Und manchmal sind auch nur Teilbereiche eines Aufgabengebietes auf die Städteregion übertragen Das Jugendamt beispielsweise ist mit dem klassischen Aufgabenspektrum nur für Baesweiler, Monschau, Roetgen und Simmerath zuständig, während die Adoptionsvermittlung für alle zehn Kommunen umgesetzt wird. Ähnlich kompliziert ist es im Bereich Rettungsdienst, im Umweltschutz oder im Sozialbereich. Wer wissen will, wofür die Städteregion im Einzelnen beschäftigt ist, findet auf deren Homepage (www.staedteregion-aachen.de) unter dem Stichwort Dienstleistungen eine Auflistung samt Ansprechpartnern.

Mit den verwirrenden Zuständigkeiten muss sich im Normalfall aber kein Bürger herumschlagen. Für Politik und Verwaltung ist der Durchblick jedoch wichtig, schon allein wegen der Kosten. Gewollt hat diesen Kompetenzwirrwarr eigentlich niemand. Aber das Aachen-Gesetz bietet mit seinen wenigen Artikeln viel Gestaltungsspielraum – und selbstbewusste Kommunen, erst recht eine Stadt von der Größenordnung Aachens, geben nur ungern Kompetenzen ab.

Während die Fusion von Ämtern des Kreises und der Stadt Aachen relativ geräuschlos vonstatten ging – zumindest von außen betrachtet –, hat es auf politischer Ebene in den ersten Jahren ein ums andere Mal kräftig gescheppert. Drei Jahre lang rangelten Stadt und Altkreis um Kompetenzen, Rechtsgutachten wurden in Auftrag gegeben. Oberbürgermeister Marcel Phillip und Städteregionsrat Helmut Etschenberg gerieten immer wieder aneinander. Zum Teil waren es eher Marginalien, die zum Streit führten, etwa die Frage, ob der Städteregionsrat auch für die Stadt Aachen Bundesverdienstkreuze verleiht und Altersjubilare besucht, oder ob das Aufgabe des OB bleibt. Zum Teil ging es um die Frage, ob und in welchem finanziellen Umfang der Städteregionstag neue freiwillige überörtliche Selbstverwaltungsaufgaben beschließen darf. Zwischenzeitlich stand sogar zur Debatte, das Projekt einzustampfen, bevor es richtig ins Rollen kam.

Doch viele Diskussionen und Gespräche später, im Jahr 2012, raufte man sich zusammen. OB und Städteregionsrat entwickelten ein 15-Punkte-Papier, in dem alle Streitpunkte geregelt wurden und in dem der Wille ausgedrückt wird, künftig in weiteren Aufgabenbereichen noch enger zu kooperieren. Auch regelmäßige Treffen der beiden Verwaltungskonferenzen wurden vereinbart. Seither arbeiten Stadt und Städteregion ohne größere Streitigkeiten zusammen.

Nicht nur Pflichtaufgaben

Auf die Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben hat sich die Städteregion von Anfang an nicht beschränkt. Politik und Verwaltung hatten und haben den Anspruch, das Leben in der Städteregion mitzugestalten und für gleiche Chancen für alle Einwohner zu sorgen. Der finanzielle Spielraum dabei ist gering, für freiwillige Aufgaben steht nur ein höherer einstelliger Millionenbetrag zur Verfügung bei einem Gesamtetat von mehr als 710 Millionen Euro. Akzente setzt die Städteregion vor allem in Sachen Bildung und Soziales – sowohl unmittelbar wie bei der Bildungszugabe, die Kindern und Jugendlichen Zugang zu Museen und kulturellen Angeboten ermöglicht, als auch mittelbar, indem sie mit fundierten Daten unterlegte Studien mit Handlungsempfehlungen erarbeitet, die die Kommunen als Grundlage für ihre Arbeit verwenden können.

Bundesweit bekannt geworden ist die Städteregion aber nicht etwa wegen ihrer Planungen oder Stellungnahmen zum Strukturwandel oder wegen ihrer innovativen Bildungsangebote, sondern weil sie vehement für die Stilllegung des Atomkraftwerkes im belgischen Tihange eintritt. Und sie hat es mit Städteregionsrat Helmut Etschenberg an der Spitze geschafft, länderübergreifend Dutzende Kommunen zu organisieren.

Noch nicht gelungen ist es der Städteregion jedoch, das Land Nordrhein-Westfalen zu einer Änderung des Aachen-Gesetzes zu bewegen, die ihr mehr Kompetenzen gibt. Dabei wünschen sich das inzwischen alle zehn Kommunen.

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