Eifeler Zeitung, Rene Benden - Joachim Zinsen

„Wir dürfen nicht die Demokratie beschädigen“

Die Kommunalwahlen in NRW sollen am 13. September stattfinden. Doch das Coronavirus könnte den Termin gefährden.

AACHEN/DÜSSELDORF Noch steht der Termin – zumindest offiziell. Am 13. September sollen in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen stattfinden. Hinter den Kulissen gibt es jedoch Zweifel, ob angesichts der Corona-Pandemie an dem Datum tatsächlich festgehalten werden kann.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zeigt sich optimistisch. Gegenüber unserer Zeitung erklärte der CDU-Politiker am vergangenen Wochenende, beim bisherigen Wahltermin bleiben zu wollen. Notfalls müsse der Urnengang als reine Briefwahl erfolgen. „Ich würde es demokratietheoretisch eher als schwierig empfinden, wenn ein festgesetzter Zeitpunkt für eine demokratische Wahl einfach per Dekret verlängert würde“, wies Laschet Gedankenspiele zurück, die Abstimmung zu verschieben und damit die laufende Amtszeit der Mandatsträger auszudehnen.

Doch es gibt Probleme. Bis zum 16. Juli 2020 müssen die kommunalen Gremien der Parteien ihre Kandidatenlisten für die Wahl aufgestellt haben. „Vielerorts ist das schon geschehen“, sagt der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Kämmerling (Eschweiler). „Aber in einigen Städten und Gemeinden war das bisher nicht der Fall.“ Um auch dort Kandidaten aufzustellen, müssten laut Gesetz Delegiertenversammlungen einberufen werden. Die sind angesichts der im Zuge der Corona-Krise verhängten Kontaktbeschränkungen jedoch nicht erlaubt. „Ob sich daran bis zum 16. Juli etwas ändern wird, kann derzeit niemand sagen“, betont Kämmerling.

Will die Situation genau beobachten: Stefan Kämmerling, SPD-Landtagsabgeordneter. Foto: SPD-Landesverband NRW

Hinter verschlossenen Türen wird deshalb über zwei Wege aus der sich anbahnenden demokratischen Notlage nachgedacht. Zum einen ist da die Möglichkeit, die Frist für die Kandidatenaufstellung über den 16. Juli hinaus zu verlängern – in der Hoffnung, dass danach die Kontaktbeschränkungen gelockert sind. Zum anderen hat der Landeswahlleiter die Frage aufgeworfen, ob das Recht der Parteien auf Versammlungsfreiheit nicht höher zu bewerten ist als die Maßgaben des Infektionsschutzgesetzes.

Sollte dieses Problem gelöst werden, baut sich dahinter allerdings direkt das nächste auf. Wie kann es in Corona-Zeiten einen Wahlkampf geben, in dem alle Kandidaten die gleichen Chancen haben? Werden außerhalb des Internets öffentliche Auftritte möglich sein, bei denen sich die Politiker der Opposition profilieren können? Für sie sind solche Auftritte besonders wichtig – vor allem, wenn sie sich um das Amt des Bürgermeisters bewerben. Denn anders als die bisherigen Amtsinhaber können sich die Herausforderer nicht als Manager der Corona-Krise inszenieren. In der Regel ist das für sie ein deutlicher Nachteil.

Muss deshalb der Wahltermin 13. September verschoben werden? „Nein, so weit geht meine Partei noch nicht“, sagt der Sozialdemokrat Kämmerling. „Aber wir werden sehr genau darauf achten, dass das, was im Vorfeld einer demokratischen Wahl nötig ist, auch umsetzbar ist.“ So-
lange nicht klar sei, wann es wieder größere Versammlungen geben könne, ließen sich die Folgen des Coronavirus für die Kommunalwahlen nicht abschätzen.

Beim Problem der Kandidatenaufstellung setzt Martin Morlok auf den Faktor Zeit. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das öffentliche Leben bis zum 16. Juli lahmgelegt wird“, erklärt der langjährige Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Skeptisch betrachtet er Laschets Vorschlag, die Kommunalwahl auch als reine Briefwahl stattfinden zu lassen. „Zum einen leidet darunter das Wahlgeheimnis“, betont Morlok. „Zum anderen wäre dazu eine Gesetzesänderung nötig.“ Dies sei zwar prinzipiell machbar, müsse dann aber auf den einen Wahlvorgang beschränkt bleiben.

„Wir dürfen bei der Bekämpfung des Coronavirus nicht die Demokratie beschädigen“, betont der Rechtswissenschaftler und warnt davor, den Termin der Kommunalwahl zu verschieben. Denn in einem Punkt ist sich Morlok dann doch mit Laschet einig: „Nach dem 13. September haben die bisherigen Mandatsträger keine Legitimation mehr. Demokratie heißt immer Herrschaft auf Zeit.“

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