Eifeler Nachrichten, von Jutta Geese, Rudolf Müller und René Benden

Keine Angst vor großen Tieren in Berlin

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Strahlend nach einer kurzen Nacht: Claudia Moll, seit Sonntag Abend SPD-Bundestagsabgeordnete aus Eschweiler, blickt gelassen auf das, was sie in Berlin erwartet. Auch in ihrem neuen Amt will sie „authentisch und ehrlich bleiben“. Foto: Rudolf Müller

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Claudia Moll blickt gelassen auf ihre neue Aufgabe im Bundestag. Wahlkampf hat Spaß gemacht.

Städteregion. Die erste Überraschung gelang Claudia Moll vor gut einem Jahr. Nur die wenigsten Genossinnen und Genossen – sie selbst eingeschlossen, wie sie damals gegenüber unserer Zeitung sagte – hätten im Oktober 2016 darauf gewettet, dass sich die 47-jährige Stadtverordnete aus Eschweiler bei der innerparteilichen Kandidatenkür gegen Markus Conrads (Alsdorf) und Janine Köster (Roetgen) durchsetzen würde. Doch das gelang ihr. Knapp zwar – erst im zweiten Wahlgang und da auch nur mit drei Stimmen Vorsprung –, aber es gelang ihr. Knapp war es auch am Sonntag. Doch danach fragt heute niemand mehr: Claudia Moll ist direkt gewählte SPD-Bundestagskandidatin für den Altkreis Aachen. Heute nimmt sie an der ersten Sitzung der SPD-Fraktion in Berlin teil, während der bisherige direkt gewählte Kandidat von der CDU, Helmut Brandt, sein Büro in Berlin in den nächsten Tagen räumen muss. Was für eine Geschichte!

Stark im direkten Gespräch

„Ich stehe für klare Kante, bin bodenständig und verfolge klare Ziele“, hatte sie den Delegierten im Oktober bei der Kreiswahlkonferenz zugerufen. Ein a     nderer Kernsatz von ihr damals war: „Mir ist nicht wichtig, was man hat oder ist, sondern nur das, was dich als Mensch ausmacht.“ Bei ihren Parteifreunden punktete sie damals mit ihrer direkten Art, mit einer Rede, der anzuhören war, dass Claudia Moll hinter jedem Wort stand, das sie sagte. Man merkte ihr die Nervosität an, aber die Art und Weise, wie sie über soziale Gerechtigkeit, Pflege, ein gerechtes Gesundheitssystem, Bildung und Arbeit sprach, wirkte authentisch.

„Claudia Moll ist endlich wieder eine SPD-Kandidatin, die aus dem Klientel stammt, den Sozialdemokraten immer vertreten wollen – den Arbeiter“, sagt der SPD-Unterbezirksvorsitzender im Altkreis Aachen, Martin Peters. Er freue sich darüber, dass dies so zgzz ut bei dem Menschen ankomme und ist sich sicher: „Von Claudia Moll werden wir auch in Berlin noch hören.“ Der SPD-Chef sieht bei Moll Qualitäten, die in der Politik heute nicht mehr selbstverständlich seien. „Mag sein, dass es bessere Redner gibt, aber im direkten Gespräch mit den Menschen ist sie unheimlich stark. Und das kommt einfach an“, sagt Peters.

Wenn die meinen, ich red‘ jetzt schnackes Zeug in Berlin, haben die sich geschnitten.

Claudia Moll
gestern mit Blick auf ihre erste Sitzung in Berlin heute

Schon vor Monaten hatte Peters gesagt, dass Moll eine Kandidatin sei, die „das wahre Leben“ kennt. „Nicht nur die Inhalte deiner Rede, auch die Art und Weise, wie du sie vorgetragen hast, zeigen, dass wir mit dir eine starke Stimme für die SPD haben“, hatte er ihr vor einem Jahr bei der Kandidatenkür mit auf den Weg gegeben und ihr die volle Unterstützung der Partei zugesichert.

Ihren Weg ist Claudia Moll beeindruckend gegangen. Denn auch im Wahlkampf ist sie, die von Beruf Altenpflegerin ist, authentisch rübergekommen. Wie erwartet konnte sie vor allem im direkten Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern punkten, weniger bei Podiumsdiskussionen, wenn sie auf die Kandidaten der anderen Parteien traf. Wobei: Der eine oder andere wird es als durchaus erfrischend empfunden haben, dass sie gar nicht erst vorgibt, von allem Ahnung zu haben, und dass sie ganz klar ihren Schwerpunkt im Sozialen sieht.

Claudia Moll führte einen anstrengenden Wahlkampf mit zahlreichen Mitstreitern aus den Ortsvereinen der Städteregion. Stress pur? „Eigentlich nicht“, sagt sie. „Das hat uns allen richtig Spaß gemacht.“ Einmal habe man sie und ihre Crew sogar für einen Wanderzirkus gehalten, für den man tunlichst spenden solle. Von wegen verbissener Wahlkampf. „Wir haben viel gelacht. Worüber – das sag‘ ich lieber nicht…“

Claudia Moll musste lange warten, bis das Wahlergebnis am Sonntagabend feststand. Erst gegen 22 Uhr kam sie in den Fraktionssaal der SPD im Eschweiler Rathaus, wo sie frenetisch gefeiert wurde. Und wo sie sich überschwänglich bei all denen bedankte, die diesen Triumph möglich gemacht hatten: „Mein Mann zum Beispiel. Der arme Kerl hat in den letzten 30 Jahren schon so viel mitgemacht…“ Und bei Unterbezirkssekretärin Hannelore Eicher: „Die hat immer dafür gesorgt, dass wir anständig angezogen waren. Ohne die wäre ich wahrscheinlich einige Male auf Schluppen zum Termin gegangen.“

Dank galt auch den Baesweiler Genossen: „Die haben sich so den A…. sich so angestrengt. Ich muss ja jetzt anders reden.“ Spaß gemacht haben ihr auch ihre Wahlkampftouren durch die Eifel. „Die Eifeler waren am nettesten. Die haben sich wahrscheinlich gedacht: Dat ärm Kenk! Die läuft sich hier die Füße ab … und wählen tun wir die trotzdem nicht.“

Eine lange Nacht mit nur drei Stunden Schlaf später – Familie und Wahlhelfer liegen noch im Tiefschlaf in ihrem Dürwisser Zuhause – sitzt Claudia Moll in einem Eschweiler Straßencafé und denkt darüber nach, was war und was jetzt kommt. Ihren Wahlsieg schreibt sie nicht zuletzt zweien ihrer Eigenschaften zu: „Ich glaube, authentisch und ehrlich rübergekommen zu sein. Und so will ich auch bleiben.“ Das bedeutet unter anderem: „Wenn die meinen, ich red‘ jetzt schnackes Zeug in Berlin, haben die sich geschnitten. Der Martin (Schulz) versteht mich – das reicht. Ich gehe das alles gelassen an.“

Bodenständig und ausgeglichen

Gestern Mittag sollte sie sich auf den Weg Richtung Berlin machen. Wann sie wo in der Hauptstadt erscheinen muss, wusste Claudia Moll am späten Vormittag noch nicht. „Die fangen schon nicht ohne mich an. Und wenn doch, ist‘s auch nicht schlimm. Vor zehn Jahren noch würde ich jetzt am Rad drehen. Aber inzwischen bin ich ein großes Mädchen und hab auch vor großen Tieren keine Angst.“ Claudia Moll geht ihren neuen Job bodenständig und ausgeglichen an. Und dazu gehören auch ganz profane Dinge: „Bevor ich gleich nach Berlin fahre, muss ich erst mal bügeln. Ich hab‘ nix mehr anzuziehen.“

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