Laut einer Studie tut NRW nicht genug für die Integration von Behinderten – auch wenn es Fortschritte gibt.
DÜSSELDORF Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention hat Nordrhein-Westfalen einer Studie zufolge auf dem Weg zur besseren Teilhabe behinderter Menschen noch ein gutes Stück vor sich. Das Deutsche Institut für Menschenrechte bescheinigte am Dienstag zwar Fortschritte. In vier Bereichen fordert die Studie aber Verbesserungen.
Wohnen: Die Novellierung des Baurechts durch die schwarz-gelbe Landesregierung sei „ein absoluter Rückschritt“, sagte der Leiter der zuständigen UN-Monitoringstelle, Valentin Aichele. Die neue Bauordnung in NRW sieht keine Quote mehr für rollstuhlgerechte Wohnungen in Neubauten vor, wie sie die rot-grüne Vorgängerregierung noch geplant hatte. Auch fehlen laut Aichele aktuelle Zahlen. Zuletzt sei im Jahr 2011 der Bestand barrierefreier Wohnungen in NRW mit 307.000 angegeben worden. Das seien damals etwa 3,8 Prozent aller Bestandswohnungen gewesen. Der zusätzliche Bedarf sei auf mehr als 250.000 Wohnungen berechnet worden.
Arbeit: NRW hat zwar im Bundesdurchschnitt mit fast 5,2 Prozent (2017) eine hohe Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung. Aber auch die Arbeitslosenquote liege mit rund 13 Prozent über dem Durchschnitt. Aichele kritisierte die Stärkung von Behindertenwerkstätten durch die Landesregierung, anstatt mehr Menschen mit Behinderung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Neue Werkstätten sollten nicht mehr zugelassen und Arbeitsstätten von vorneherein barrierefrei gebaut werden, empfiehlt die Studie.
Schule: Das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht-behinderten Kindern ist einer der größten Zankäpfel in NRW. Laut Aichele „drohen Rückschritte, die nicht akzeptabel sind“. Die Quote der Schüler mit Förderbedarf, die in Sonderschulen unterrichtet würden, sei seit zehn Jahren nicht nennenswert gesunken. Die von der schwarz-gelben Regierung gegebenen Bestandsgarantien für Förderschulen seien nicht vereinbar mit der UN-Verpflichtung, ein inklusives Schulsystem aufzubauen – ohne Sonderschulen. Beide Systeme gleichzeitig könnten allein schon wegen des Personalmangels nicht aufrechterhalten werden.
Mobilität: Viele Bahnhöfe und Haltestellen in NRW sind laut Studie inzwischen barrierefrei. Seit 2008 seien dafür Investitionen in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro geflossen. Andererseits aber würden vor allem in Ballungszentren mit hohem Fahrgastaufkommen die Abläufe beschleunigt. Türen würden schneller geschlossen, Bahnen hielten kürzer an Haltestellen. Nur an 40 Prozent der Stationen sei 2017 ein stufenloser Ein- und Ausstieg ins Fahrzeug möglich gewesen.
Ende 2017 lebten in NRW dem Bericht zufolge 1,82 Millionen schwerbehinderte Menschen. Das entspricht rund zehn Prozent der Bevölkerung.
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