Kritik am Demokratieverständnis der CDU: Stephan Kaever (SPD) will Bürgermeister von Simmerath werden.
SIMMERATH Auf ein Neues: Nachdem Stephan Kaever bei der vergangenen Kommunalwahl 37 Prozent der Stimmen gegen den populären Amtsinhaber Karl-Heinz Hermanns (CDU) holte, geht der Polizeibeamte aus Lammersdorf im September erneut für die SPD ins Rennen. Im Interview mit unserem Redakteur Marco Rose erklärt der 54-Jährige, wie er gegen die Christdemokraten punkten will – ein schwieriges Unterfangen angesichts der guten wirtschaftlichen Situation Simmeraths
.Herr Kaever, Sie treten an, um für die SPD einen Wechsel im Simmerather Rathaus einzuleiten. Wie bewerten Sie die Arbeit des scheidenden Bürgermeisters?
Stephan Kaever: Es ist schwierig die Arbeit von Karl-Heinz Hermanns auf eine Note zu reduzieren. Ich würde das zweiteilen: Was die Verwaltungstätigkeit angeht, würde ich ihn gut bewerten. Hermanns kommt aus der Verwaltung und beherrscht das Metier. Für die politische Arbeit im Rat würde ich ihm keine gute Note geben. Er hat ein anderes demokratisches Verständnis. Kontakt zu den Bürgern pflegt der Bürgermeister, da wird er wahrgenommen. Insgesamt ist das also eine durchwachsene Bilanz.
Ein anderes Verständnis? Können Sie diesen Vorwurf erklären?
Kaever: Das ist kein Vorwurf. In der Demokratie gibt es ja unterschiedliche Auffassungen. Was er macht, ist sicherlich so in Ordnung. Ich würde aber gerne mehr die unterschiedlichen Meinungen, die es in der Gemeinde gibt, herausstellen. Wenn im Rat etwas zu entscheiden ist, wird im Protokoll festgehalten, wie die Mehrheit entschieden hat. Dann weiß man, wie die CDU abgestimmt hat. Das ist klar, sie hat die absolute Mehrheit. Für mich gehört es in einem demokratischen Prozess aber ganz wesentlich dazu, festzustellen, wie auch die anderen abgestimmt haben. Außerdem gibt es auch immer Abweichler. Das ist wichtig festzuhalten
.Könnten Sie ein Beispiel nennen?
Kaever: Als es um die umstrittene Schließung der Grundschule in Kesternich ging, wurde ein mehrheitlicher Beschluss gefasst. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe – man kann es im Protokoll nicht nachlesen – hat Bernd Goffart nicht für, aber auch nicht gegen die Schließung gestimmt. Das kann man aber nicht mehr nachvollziehen. Historisch betrachtet wäre es interessant, zu sehen, wie jemand abgestimmt hat, der sich jetzt auch um das Bürgermeisteramt bewirbt. Das würde ich gerne ändern.
Ich bin der Überzeugung, dass dort Schluss sein muss. So bringt man Menschen nicht unter. Das ist meine persönliche Meinung.
Stephan Kaever (SPD) über die
Flüchtlingsunterkunft Langschoß
Das ist alles?
Kaever: Nein, auch den Weg einer Verwaltungsvorlage würde ich genauer nachzeichnen: Wer hat die eingebracht? Welcher Weg ist vorgesehen? Wie wurde abgestimmt? Wichtig ist mir zudem die Beteiligung des Rates an wichtigen Projekten. Die erfolgt in Simmerath häufig sehr spät. Ein Beispiel: In diesem Jahr wird die Schule in Steckenborn erweitert. Im Haushalt des abgelaufenen Jahres waren dafür Haushaltsmittel in Höhe von 645.000 Euro vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt war in der Politik darüber noch gar nicht gesprochen worden. Dann wurden im Laufe des Jahres die Pläne vorgestellt. Und siehe da: Der Plan der Verwaltung orientierte sich exakt an der im Haushalt vorgesehenen Summe.
Was stört Sie daran?
Kaever: Ich habe in der ersten Diskussion die Frage der Barrierefreiheit gestellt. Der Bürgermeister wollte die Planung aber offensichtlich so schnell wie möglich durchziehen, damit rechtzeitig zur Kommunalwahl die Schule fertig ist. Änderungen hätten seiner Meinung nach zu erhöhten Kosten und Verzögerungen geführt. Die Kompromisslösung sah dann vor, den Bedarf für alle Schulen zu ermitteln. Dafür sind aber im Haushalt für 2020 überhaupt keine Mittel vorgesehen. Das heißt: Die Politik darf zwar über teure Projekte diskutieren, Änderungen der Verwaltungsvorlagen sind aber eigentlich nicht gewünscht. Ich würde mir vorstellen, dass man zunächst eine Diskussion in der Bevölkerung und im Rat anstrebt, und die Verwaltung das anschließend umsetzt. Natürlich muss die Verwaltung auch Vorschläge machen. Diese dürfen aber nicht so fertig ausgearbeitet sein, dass das Gespräch im Rat im Prinzip nur noch reine Formsache ist.
Mit anderen Worten: Sie wollen mehr Transparenz?
Kaever: Mehr Transparenz; und Ratsvertreter sind mehr als nur Abnicker. Die Bürger müssen viel frühzeitiger informiert werden, damit sie auch mitdiskutieren können. In der Gemeinde Simmerath ist das Ratsinformationssystem im Aufbau. Das haben wir schon bei der vergangenen Kommunalwahl eingefordert. Dann hieß es, die Lizenzen seien erworben. Heute kann zum Beispiel die Presse immer noch nicht darauf zugreifen. Ratsvertreter haben erst seit kurzem die Möglichkeit. Die Verwaltung wollte die Bürger ursprünglich vor der Kommunalwahl noch gar nicht reingucken lassen. Der Bürgermeister hat in der jüngsten Ratssitzung erklärt, dass er im Ratsinformationssystem nicht im Vorfeld von Sitzungen die Verwaltungsvorlagen veröffentlichen möchte, damit Ratsvertreter nicht mit Anfragen von Bürgern konfrontiert werden, bevor sie die Unterlagen selber lesen konnten. Ich würde mir Anfragen von Bürgern vor Ratsentscheidungen wünschen! Das sind die Unterschiede im Demokratieverständnis. Ich möchte den Bürgern auch ermöglichen, das Ratsinformationssystem für Recherchen aus der Vergangenheit zu nutzen. Auch das ist nicht vorgesehen. In anderen Kommunen – zum Beispiel Aachen – ist das selbstverständlich.
Wie wollen Sie denn die CDU und ihren Kandidaten stellen? Glaubt man dem Bürgermeister, ist Simmerath eine ländliche Musterkommune mit hervorragender wirtschaftlicher Entwicklung. Warum sollten die Bürger einen politischen Wechsel anstreben?
Kaever: Die Entwicklung ist in der Tat gut, aber das ist nicht alleine das Verdienst der CDU und des Bürgermeisters. Im demokratischen System haben alle ihren Beitrag dazu geleistet – auch die SPD. Natürlich stellt die CDU die Mehrheit, aber wir haben auch unseren Anteil an der Entwicklung. Außerdem kann man noch Verbesserungen für die Gemeinde erreichen: eine bessere Bürgerbeteiligung zum Beispiel. Als es um die Grundschule oder auch eine Umgehungsstraße für Kesternich ging, hat man nicht die Bürger befragt. Das Thema Umgehungsstraße wurde dann ausgesessen. Hier hätte man Frieden dadurch schaffen können, indem man die Bürger befragt hätte. Das würde ich mir wünschen. Ein anderes großes Problem, das auch aufgrund meiner Initiative nach vorne gebracht wurde, ist der Öffentliche Nahverkehr in Simmerath. Hier kommt bald der Citytarif auf Initiative der SPD. Mein Vorschlag schon zur letzten Kommunalwahl war, den ÖPNV völlig kostenlos anzubieten. Das war damals so innovativ, dass alle gesagt haben: Das kann sich keiner leisten. Heute wissen wir aber durch die Initiative der SPD, dass für die Tickets innerhalb von Simmerath keine 40.000 Euro im Jahr eingenommen worden sind. Durch die Einführung des Citytarifs rechnen wir mit Steigerungen um die 50 Prozent. Das bedeutet, dass die Gemeinde mit einem Zuschuss von rund 20.000 Euro im Jahr rechnet. Durch die erhöten Fahrgastzahlen wird der Verkehrsverbund aber kaum weniger Einnahmen haben. Ich bleibe dabei: Es kostet gar nicht so viel, die Busse gratis anzubieten.Das sind doch ziemlich „grüne Themen“. Wie beurteilen Sie die Rolle der Grünen in Simmerath, die mit der CDU paktieren, obwohl eine Koalition rechnerisch unnötig ist? Fühlen Sie sich als Opposition im Rat geschwächt?
Kaever: Schon im vergangenen Wahlkampf haben sich die Grünen klar auf die Seite der CDU gestellt. Ich finde es sehr schade, dass die Grünen in Simmerath kaum ein eigenes Profil entwickelt haben. Sie haben zum Beispiel auch für die Schließung der Schule in Kesternich gestimmt. Oder auch das Thema Langschoß, die Flüchtlingsunterkunft im Wald. Ich war sehr überrascht, dass sich die Grünen mit der gefundenen Lösung zufrieden geben. Mir wird in der Ratsarbeit zu wenig klar, wo die Position der Grünen ist. Das war früher immer das Problem der FDP: Daraufhin haben sich die Bürger dann gefragt, wofür sie diese Partei überhaupt noch brauchen. Ein ähnliches Schicksal könnte die Grünen ereilen.
Glauben Sie das ernsthaft? Angesichts aktueller überregionaler Umfragen müssten sie eher fürchten, von den Grünen auch in Simmerath überholt zu werden.
Kaever: Wenn es um den Bürgermeister geht, ist das in erster Linie eine Persönlichkeitswahl, auch wenn die Parteizugehörigkeit sicher eine Rolle spielt. Ich kann zu den Umfragen nur sagen: Da werden wir Sozialdemokraten weit unter Wert verkauft.
Zurück zu Langschoß: Können Sie sich erklären, warum Simmerath an einer Einrichtung festhält, die auf Außenstehende bisweilen den Eindruck eines Straflagers vermittelt? Die Nachbarkommunen zeigen eindrucksvoll, dass es auch anders geht.
Kaever: Ich bin der Überzeugung, dass dort Schluss sein muss. So bringt man Menschen nicht unter. Das ist meine persönliche Meinung. Ich denke, dass wir in der Eifel Flüchtlinge wesentlich besser unterbringen können als mitten im Wald. Ich bin auch der Meinung, dass man an Flüchtlingen nicht verdienen sollte. Wenn Sie den Haushaltsentwurf lesen, werden Sie feststellen, dass die Gemeinde gut 22.000 Euro an den Flüchtlingen verdient. Sie hat deutlich mehr Einnahmen durch Schlüsselzuweisungen als Ausgaben. Es gibt eine mögliche andere Verwendung für Langschoß. Roetgen hat wiederum gezeigt, dass man auch ein Flüchtlingshaus bauen kann. Nach dem anfänglichen Widerstand hat man die Bürger dort mitnehmen können. Man hört keine Klagen, die Flüchtlinge sind gut ins Dorf integriert worden.
Warum wird das Geld denn nicht für den vorgesehenen Zweck ausgegeben?
Kaever: Es sieht natürlich gut aus, einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren zu können. Da ist dieser Betrag hilfreich. Wir müssen aber auch sehen: Wir haben einen Haushalt mit sogenannten globalen Minderausgaben. Das heißt, die Verwaltung nimmt prozentual Einsparungen vor. Wenn man in die Einzelhaushalte guckt, ist das teilweise schon abenteuerlich. Sinn macht eine solche Maßnahme in den Kommunen, wo es darum geht, ein Hauhaltssicherungskonzept oder einen Nothaushalt zu vermeiden. Aber diese Not herrscht in Simmerath nicht.
Der Bürgermeister will die Stelle des scheidenden Beigeordneten so schnell wie möglich nachbesetzen. Ziehen Sie da mit?
Kaever: Das entscheidet der Rat. Die Frage ist: Brauchen wir so dringend einen Beigeordneten? Es ist sehr schade, dass Bennet Gielen geht, weil er ein sehr guter Beigeordneter ist. Wenn man einen solchen Mann wieder bekommen könnte, wäre es ein Gewinn für die Gemeinde. Aber muss man sich jetzt festlegen? Nein, müssen wir nicht. Die Verhältnisse in der Gemeinde werden sich an der Verwaltungsspitze ändern, und dann sollten meines Erachtens die jetzigen Vertreter keinen Beigeordneten wählen. Es spart auch ein paar Euro ein.
Was würde ein Bürgermeister Stephan Kaever sonst noch machen?
Kaever: Das Thema Inklusion liegt mir sehr am Herzen. Mir wäre außerdem wichtig, dass die drei Eifelkommunen stärker als bisher miteinander arbeiten. Ich habe auch die Vision, dass die drei Kommunen zu einer zusammenwachsen – auch bei der Verwaltung. Ein Bürgermeister, eine Verwaltung, ein bürgernahes Zentrum mit einigen Außenliegenschaften: Da gibt es noch viel zu tun.
Da dürften Sie noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten haben.
Kaever: Man muss ja Visionen haben. Wir brauchen für unsere drei Kommunen keine drei Verwaltungen mit drei Bürgermeistern. Eine große gemeinsame Kommune hätte viele Vorteile. Denn die aktuelle Situation führt ja am Ende dazu, dass bestimmte Dinge wie Jugend und Verkehr am Ende in der Städteregion entschieden werden.
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