Beim politischen Aschermittwoch geht es um den Willen zur Erneuerung , um Werte und um Chancen der Partei in einer Groko.
Städteregion. Ziemlich lange habe sie überlegt, ob sie etwas zu den Diskussionen über eine mögliche neue Groko und die Personaldebatte in der SPD sagen soll, leitete Claudia Moll ihr kurzes Grußwort beim politischen Aschermittwoch der Sozialdemokraten Aachen-Land in Eschweiler ein. Sie habe sich dagegen entschieden, weil es dazu in der kommenden Woche drei – partei-interne – Veranstaltungen in der Städteregion geben werde. Stattdessen beschäftigte sich die Bundestagsabgeordnete aus Eschweiler Mittwochabend mit der AfD im Bundestag.
Hinter der Maske des Seriösen versuche „diese Partei am rechten Rand der Gesellschaft, die ganze Niedertracht des Bösen zu vergraben“. Es seien „nationalistische und europafeindliche Plattitüden, die diese Abgeordneten vom Stapel lassen“. Dem müssten die demokratischen Kräfte entgegentreten. „Es liegt an uns, den Menschen zu zeigen, dass nicht nur meist die Wortwahl, sondern auch das Verhalten dieser Partei unparlamentarisch ist. Wir müssen deren Halbwahrheiten und Verdrehungen der Tatsachen widerlegen.“ In unserer „verrückten Zeit“ mit Krieg in vielen Regionen der Welt, Flucht und Armut, „auch in unserem reichen Land“, in dem zugleich der Reichtum „abstruse Züge“ annehme, müssten Sozialdemokraten „gemeinsam kämpferisch und stolz dafür sorgen, dass unsere Welt nicht vollkommen verrückt wird“, forderte Moll. „Lasst uns der Hort der Vernunft werden in einer Welt, die aus den Fugen gerät.“
Leidenschaft und Optimismus
Mit der Groko, dem Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag und der Stimmungslage in der eigenen Partei setzte sich dann der Hauptredner des Abends auseinander. Dabei ging es Marc Herter, Landtagsabgeordneter und Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion NRW, vor allem um eines: den rund 200 Genossinnen und Genossen – unter ihnen laut dem Eschweiler Stadtverbandsvorsitzenden Oliver Liebchen viele Neu-Mitglieder – Mut zu machen. Die rund 50 000 Frauen und Männer, die „trotz des desaströsen Außenbildes unserer Partei“ innerhalb eines Jahres zur SPD gestoßen seien, seien „nicht zur Trauerarbeit in einer sozialdemokratischen Selbsthilfegruppe eingetreten“. Sie brächten Leidenschaft für die sozialdemokratische Idee mit, Veränderungswillen und Optimismus. Sie wollten sich in der SPD mit den Herausforderungen für das Land und den Problemen der Menschen beschäftigen. Natürlich müsse die SPD wieder stärker erkennbar werden als eine Alternative in der Parteienlandschaft. Davon sei sie noch weit entfernt, gestand Herter ein. Und ja, die SPD habe Fehler gemacht, auch in NRW. „Wir hatten zu wenig Mut, echte Reformen voranzutreiben. Wir hatten manchmal zu wenig Biss und gelegentlich zu wenig Selbstbewusstsein, unsere Erfolge unters Volk zu bringen.“ Aber, fuhr er mit Blick auf die CDU/FDP-Landesregierung fort: „Wir sind es nicht, die Sozialabbau betreiben und Industriearbeitsplätze opfern.“ Zudem halte Schwarz-Gelb viele Wahlversprechen nicht. Ministerpräsident Armin Laschet habe wohl vor lauter Ankündigungen den Überblick verloren.
Marc Herter
SPD-Landtagsabgeordneter
Die Erfahrungen der SPD in Koalitionen, ob im Bund oder im Land und ganz gleich in welcher Zusammensetzung, lassen laut Herter viele Menschen skeptisch auf eine mögliche neue Groko in Berlin blicken. Aber, betonte der Landtagsabgeordnete in Eschweiler, die „Abgesänge auf die SPD sind verfrüht“. Der ausgehandelte Koalitionsvertrag sei „ein ziemlich solides sozialdemokratisches Regierungsprogramm“. Er habe „rot-grüne Koalitionsverträge gesehen, die weniger Sozialdemokratie enthalten haben“.
Ob da ein Politikwechsel drinstecke? „Nein“, sagte Herter. Den könne man aber auch nicht allen Ernstes erwarten. „Da müssten wir schon selbst auf 30 Prozent – für Träumer: 40 Prozent – der Wählerstimmen kommen.“ Nein, einen Politikwechsel bilde der Koalitionsvertrag nicht ab. Aber auf einigen Politikfeldern habe sich einiges bewegt – durch Sozialdemokraten und gegen Christdemokraten. Herter nannte als Beispiele die Themen sozialer Wohnungsbau, Bildung, Kommunalfinanzen und Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes. „Man kann es geringschätzen, dass nur 150 000 Stellen für Langzeitarbeitslose entstehen sollen. Aber es geht da um 150 000 Einzelschicksale, um 150 000 Menschen, die wieder eine Perspektive bekommen. Von den Regelungen zu sachgrundlosen Befristungen könnten derzeit 400 000 vorwiegend junge Menschen profitieren. Dabei gehe es nicht nur um diese Zahl. „Uns ist wichtig, mit welcher Haltung wir den Jungen gegenübertreten, die ins Berufsleben starten.“ Er habe die Sorge, dass die SPD weiter Vertrauen verlieren werde, „wenn wir jetzt nicht zulangen“. Die SPD werde gewählt, damit sie Politik gestaltet und Verantwortung übernimmt. „Wir müssen uns fragen: Frisst uns die Groko auf oder haben wir die Chance, am Ende gestärkt aus ihr hervorzutreten?“
Die SPD müsse ihren eigenen Takt finden, sich erneuern. Aber sie müsse dafür das Spiel „Wir gegen uns“ beenden. „Die Menschen am Infostand fragen uns nicht, wie wir uns als Partei erneuern. Sie wollen wissen, welche Politik wir machen, wo wir hinwollen.“ Die SPD müsse deutlich machen, dass ein Koalitionsvertrag nur ein Etappenziel sei, dass Sozialdemokraten mehr wollen und dafür auch kämpfen. „Wir müssen ein Programm auflegen, das sozialen Fortschritt sichtbar macht. Mit uns muss die Hoffnung auf sozialen Aufstieg wieder größer werden als die Angst vor dem sozialen Abstieg. Wenn uns das gelingt, werden wir der AfD den Nährboden entziehen.“ Die AfD ernähre sich von Problemen, die SPD löse Probleme. „Die Sozialdemokratie kann und muss die gesellschaftliche Kraft sein, die die Angst vor Veränderung mit dem Willen zur Verbesserung bekämpft“, schloss Herter.
Respekt vor Martin Schulz
„Endlich mal wieder eine zuversichtliche und kämpferische Rede“, frohlockte Eva-Maria Voigt-Küppers, Landtagsabgeordnete und stellvertretende Unterbezirksvorsitzende. „Egal, welcher Wind uns entgegenweht: Wir haben Werte, auf die wir stolz sein können“, betonte sie. „Wir Sozialdemokraten ringen miteinander um Inhalte, aber mit gegenseitigem Respekt und Respekt vor der anderen Meinung. Lasst uns diesen Respekt nicht verlieren“, mahnte sie mit Blick auf den Mitgliederentscheid und die Personaldebatten. Wichtig sei ihr, Martin Schulz für das zu danken, was er geleistet habe: „Martin, wir haben Respekt vor dir!“
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