Städteregion. Pläne gibt es in den Kommunen und in der Städteregion zuhauf: Kita-Bedarfspläne, Schulentwicklungspläne, Pflegebedarfspläne, Nahverkehrspläne und anderes mehr. Aber, räumt Eschweilers Beigeordneter Stefan Kaever ein, sie existieren bislang eher nebeneinander her. Und sie nehmen zwar die gesamte Kommune, aber nicht einzelne Stadtteile oder Quartiere in den Blick. Anders die städteregionale Sozialplanung.
Sie bietet eine Fülle von Daten zu unterschiedlichen Themen, die das Leben der Menschen zwischen Baesweiler, Aachen und Monschau beschreiben und die Aufschluss darüber geben, wo sich bestimmte Problemlagen – von Arbeitslosigkeit und Armut über Überalterung einzelner Quartiere bis hin zu gesundheitlichen Defiziten – schon jetzt häufen oder in Zukunft verstärkt auftreten könnten. Politik und Verwaltung, soziale Verbände, aber auch Bürgerinnen und Bürger, die sich nachbarschaftlich engagieren wollen, können somit frühzeitig erkennen, wo Handlungsbedarf besteht.
Eine überraschende Erkenntnis hat Stefan Kaever für die Stadt Eschweiler schon aus dem 193 Seiten umfassenden Zahlenwerk gewonnen, das jüngst bei einer Sozialplanungskonferenz mit rund 200 Teilnehmern vorgestellt und diskutiert wurde: „In unseren südlichen Stadtteilen, etwa Scherpenseel und Hastenrath, ist das Durchschnittsalter der Einwohner recht hoch. Das war uns gar nicht so klar. Da müssen wir noch mal genau hinschauen.“ Und klar ist für Kaever jetzt auch, dass beim Thema Armut und Bildung das städteregionale Gesundheitsamt stärker als bisher eingebunden werden muss. Interessant für ihn ist aber auch zu sehen, dass es vergleichbare Sozialräume in nahezu allen Kommunen gibt.
Das ist auch nach Ansicht von Robert Voigtsberger, Beigeordneter der Stadt Stolberg, der große Mehrwert der städteregionalen Sozialplanung: deutlich zu machen, dass Lebensräume kommunenübergreifend vergleichbar sind und dass man voneinander lernen kann und nicht jeder das Rad neu erfinden muss. Wobei Stolberg in Sachen Sozialplanung – ebenso wie die Stadt Aachen – schon ziemlich weit ist und schon vor der Städteregion damit begonnen hat, die Lebenswirklichkeit der Menschen in einzelnen Quartieren genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auch ein erstes Handlungskonzept ist bereits in der Entwicklung. Die Betroffenen, also die Bürger, wurden dabei von Anfang an einbezogen, betont Voigtsberger. „Wir haben eine repräsentative Bürgerumfrage gemacht. Das war eigentlich gar nicht so geplant, aber das Interesse der Bürger war groß und viele wollten sich daran beteiligen, vor Ort etwas zu verändern.“
Eine Erfahrung, die auch Stefan Kaever in Eschweiler macht. In der Stadt, die nahezu zeitgleich mit der Städteregion für ihren Bereich mit der integrierten Sozialplanung begonnen hat, gab es bislang drei große Sozialraumkonferenzen, aus denen heraus sich mehrere Arbeitskreise gebildet haben. „Die Bürger bringen sich da sehr ein, wollen mitgestalten. Auch Ältere, die sagen: Nicht mehr für mich, aber für meine Kinder.“ Dass Städteregion und Stadt zur selben Zeit Daten gesammelt und analysiert haben, hat laut Kaever sehr gut gepasst. „Das ergänzt sich gut.“ Schöner Nebeneffekt: „Durch die enge Zusammenarbeit hat das Verhältnis zur Städteregion an Qualität gewonnen.“
Positive Rückmeldungen haben Prof. Edeltraud Vomberg, Sozialdezernentin der Städteregion, und Sozialplanerin Antje Rüter nach der Konferenz viele erhalten. Und selbst waren sie hoch erfreut, dass alle Kommunen „hochrangig“ bei der Konferenz vertreten waren, ebenso die Wohlfahrtsverbände und die städteregionale Politik. „Uns ging es darum, ins Gespräch zu kommen und den Planungsprozess anzustoßen“, sagt Vomberg. Konkrete Maßnahmen müssten nach genauerer Analyse jeweils vor Ort in den Kommunen aus dem Datenmaterial abgeleitet werden. Jede Kommune müsse schauen, wo sie ihre Schwerpunkte setzt. Dabei könne die Städteregion natürlich bei Bedarf beratend tätig werden, Entscheidungsbefugnis habe sie jedoch nicht, betont Vomberg. Sie und Antje Rüter sind nun gespannt auf die Diskussionen in den Kommunen.
„Für uns können wir aus der Sozialplanung aber auch einiges ableiten. Beispielsweise, dass unsere freiwilligen Leistungen im sozialen Bereich künftig gezielter sozialraumbezogen eingesetzt werden.“ Um insgesamt rund 180 000 Euro geht es da jährlich, sagt die Sozialdezernentin. „Im späten Frühjahr werden wir mit den Trägern darüber sprechen.“ Klar sei aber, dass man nicht jede Leistung sozialraumbezogen gewähren kann. Das gelte etwa für die Straffälligenhilfe, für Frauenhäuser und für Beratungsangebote für Opfer sexueller Gewalt. Merete Menze, Geschäftsführerin des Paritätischen, mahnt, dass man nicht nur auf Daten blicken darf. Das Leben lasse sich nicht in Gänze in Zahlen packen.
Dass ein so wichtiges Thema wie Inklusion noch nicht in der Sozialplanung enthalten ist, liegt laut Vomberg und Rüter an der schwierigen Datenlage. „Das ist ein sehr vermintes Feld. Saubere Daten zu finden, ist sehr schwierig.“ Das fange schon bei der Frage an, über welche Behinderung man eigentlich redet. Zudem gebe es eine große Dunkelziffer, weil nicht jede Behinderung statistisch erfasst sei. „Den Wunsch, das Thema aufzugreifen, kann ich nachvollziehen“, sagt Vomberg. Aber ob das auf Sozialräume heruntergebrochen werden könne, bezweifle sie. „Vielleicht kann man ja einzelne Problemlagen exemplarisch abbilden“, sagt Antje Rüter.
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