Eifeler Nachrichten, Jutta Geese,

Breites Bündnis gegen das AKW Tihange

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Selten ist sich der Städteregionstag in einem Thema so einig gewesen: Belgisches Kraftwerk sollen abgeschaltet werden.

Städteregion. Die Aussagen der Experten zu möglichen Auswirkungen eines Reaktorunfalls im belgischen Atomkraftwerk Tihange (wir berichteten gestern ausführlich) haben am Donnerstag eines bewirkt: Quer durch alle Fraktionen fühlen sich die Städteregionstagsmitglieder darin bestärkt, weiter für das Abschalten des Reaktors zu kämpfen. Juristisch, aber auch indem sie den politischen Druck auf allen Ebenen bis hinauf zur EU-Kommission erhöhen. Zudem wollen sie versuchen, die schon jetzt breite Allianz der „Stop Tihange“-Bewegung in der Region und weit darüber hinaus noch weiter auszubauen.

„Die Bürger haben ein Recht auf Beantwortung ihrer Fragen“, erklärte Ulla Thönnissen, CDU-Fraktionschefin im Städteregionstag und Landtagsabgeordnete. Sie wollten wissen, wie zuverlässig die Aussagen der belgischen Atomaufsicht zur Sicherheit des Reaktors seien. Sie fragten, was verschwiegen, was beschönigt wird. Und das, was bisher an Antworten vorliege, „kann nicht beruhigen“. Etwa die Aussage, dass „die Ursache für die Risse im Reaktordruckbehälter vermutlich herstellungsbedingt“ seien. Das schließe nämlich ein „Versagen des Druckbehälters“, sprich: ein Auseinanderbrechen, nicht aus. Die Forderungen der Bürger an die Politik, dass Tihange abgeschaltet werden muss, seien „völlig nachvollziehbar, wir nehmen diesen Auftrag ernst“, betonte Thönnissen.

Kein Belgien-Bashing

Und alle Experten sagen uns: Du kannst an einem Atomreaktor alles austauschen – bis auf den Druckbehälter.

Martin Peters
SPD Fraktionsvorsitzender

Dabei „müssen wir aufpassen, dass wir kein Belgien-Bashing betreiben“, warnte SPD-Fraktionschef Martin Peters. Auch er beklagte, dass es keinerlei Aussagen seitens der Kraftwerksbetreiber oder der belgischen Atomaufsicht zu den Haarrissen gebe. „Wir haben Tihange im Sommer besucht und mit den Verantwortlichen über Sicherheitsfragen diskutiert, aber eine Frage haben sie nicht beantwortet: die zu den Rissen. Und alle Experten sagen uns: Du kannst an einem Atomreaktor alles austauschen – bis auf den Druckbehälter“, berichtete er.

Wie alle anderen Fraktionsvorsitzenden im Städteregionstag – und auch der Personalratsvorsitzende Frank Schalge stellvertretend für die Beschäftigten der Städteregion – wird Peters persönlich vor dem Gericht erster Instanz in Brüssel gegen Tihange klagen. Die Kosten wird, so der einstimmige Beschluss des Städteregionstages, die Städteregion ebenso übernehmen wie die Kosten für die Klagen der Städteregion selbst. Mit mehreren hunderttausend Euro rechnet Städteregionsrat Helmut Etschenberg insgesamt. Bis eine juristische Entscheidung getroffen sei, müsse die Politik jedoch schon Verantwortung übernehmen, sagte Peters. Sprich: „Wir müssen Konzepte vorbereiten, wie wir in der Städteregion mit einem Atomunfall umgehen können.“

Sitzung ohne internen Streit: Parteiübergreifend haben sich die Fraktionen des Städteregionstages dazu entschlossen, alle Möglichkeiten auszuloten, damit die umstrittenen Meiler von Tihange und Doel vom Netz gehen.
Sitzung ohne internen Streit: Parteiübergreifend haben sich die Fraktionen des Städteregionstages dazu entschlossen, alle Möglichkeiten auszuloten, damit die umstrittenen Meiler von Tihange und Doel vom Netz gehen.

Das sieht Dr. Thomas Griese von der Grünen-Fraktion ebenso. Er ist zugleich Umweltminister von Rheinland-Pfalz und hat dafür gesorgt, dass sich dieses Bundesland der Klage der Städteregion anschließt. Die Bevölkerung müsse aufgeklärt werden, wie sie sich im Falle eines Atomunfalls verhalten muss, die notwendige Ausrüstung (Jodtabletten und Schutzmasken) müsste flächendeckend vorgehalten werden, vielleicht müssten auch Katastrophenschutzübungen durchgeführt werden. Die von den Experten vorgestellten Studien bestätigten seiner Ansicht nach vor allem eines: „Sicher ist nur das Risiko.“ Es sei „beklemmend“ zu hören, welche Auswirkungen ein Reaktorunfall für die Region haben wird, und es sei „verantwortungslos“, wie sich die EU-Kommission „wegduckt“.

Er wolle kein „Belgien-Bashing“ betreiben, sagte FDP-Fraktionschef Georg Helg. „Aber es ist schon unglaublich, mit welcher Verbissenheit die Wallonen an diesem Reaktor festhalten, obwohl sie doch selbst am allermeisten von einem Reaktorunfall betroffen sind“. Die Bundesregierung „schlafe“ bei diesem Thema. „Ich klage mit voller Überzeugung gegen diesen Schrottreaktor, obwohl ich früher alles andere als ein Gegner der Atomkraft war und auch nie in Brokdorf oder anderswo demonstriert habe“, sagte Helg.

Linken-Fraktionsvorsitzender Uwe Löhr betonte, es reiche nicht, nur gegen Tihange und Doel vorzugehen, sondern generell gegen Atomkraftwerke. „Wir müssen uns auch gegen Neubauten einsetzen.

Bei ihren juristischen und politischen Schritten gegen Tihange weiß die Städteregion ihre zehn Kommunen an ihrer Seite. Das versicherte der Simmerather Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns als derzeit amtierender Sprecher der zehn (Ober-)Bürgermeister.

Zur Unterstützer-Allianz gehört auch die Bezirksschülervertretung. Sie mobilisiert derzeit alle Bezirksschülervertretungen landesweit, sich für die Abschaltung der Schrottreaktoren einzusetzen, berichteten Lars Meyer und Conny Schmetz am Donnerstag. „Wir haben Kontakt mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz aufgenommen, der uns auch schon geantwortet hat, aber wir werden da auch noch mal nachhaken.“

Eine ungewöhnliche Aktion kündigte Lars Hamens an: Gemeinsam mit Rolf Jägersberg hat er ein interaktives Objekt – eine Säule – entwickelt, an der jeder Bürger „Tihange Aus“-schalten kann. „Wir rufen jeden Bürger auf mitzumachen, ein Selfie vom Abschalten ins Internet zu stellen und so Gesicht gegen Tihange zu zeigen.“ Am Montag wird in Simmerath die erste Säule, finanziert durch private Sponsoren, der Öffentlichkeit vorgestellt. Ziel der Initiatoren ist es, solche Objekte flächendeckend in allen Kommunen zu installieren.

Foto: Harald Krömer

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