SPD-Landtagsfraktion will Gesetzesänderung durchsetzen. Informationsabend zur Thematik in Eicherscheid.
EICHERSCHEID Die Spannung steigt: Werden die Straßenausbaubeiträge in NRW in naher Zukunft abgeschafft und die Bürger damit finanziell entlastet? Wenn es nach der SPD geht, dann sind die Tage der von den Kommunen erhobenen Anliegerbeiträge gezählt. Die Opposition hat sich eindeutig positioniert, aber die CDU-geführte Landesregierung ist derzeit noch weit von einer Änderung des Kommunalabgabengesetzes entfernt. Das inzwischen hoch emotional diskutierte Thema stand jetzt auch im Mittelpunkt eines Informationsabends, wozu die drei SPD-Ortsvereine aus Monschau, Roetgen und Simmerath eingeladen hatten.
Mit dem für die Nordeifel zuständigen Landtagsabgeordneten Stefan Kämmerling, der auch kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion ist, hatten die Eifeler Sozialdemokraten einen kompetenten Referenten eingeladen, der tief in das Thema eingetaucht ist. Rund 50 Gäste waren zum von der Simmerather SPD-Vorsitzenden Gaby Keutgen-Bartosch moderierten Infoabend im Pfarrheim Eicherscheid erschienen. Der Ort war nicht zufällig gewählt, denn nach erfolgtem Straßenausbau im Ort hätten die Bürger normalerweise schon ihre Beitragsbescheide im Briefkasten, aber aufgrund der verschärften Diskussionslage und der möglichen Gesetzesänderung hat die Gemeinde Simmerath das Bearbeitungstempo gedrosselt.
Als die SPD-Landtagsfraktion am 6. November 2018 einen eigenen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge verabschiedete und diesen acht Tage später in den Landtag einbrachte, hatten auch die Sozialdemokraten nicht damit gerechnet, dass sie mit diesem Vorstoß eine regelrechte Lawine lostreten würden. Der Bund der Steuerzahler startete fast zeitgleich eine Volksinitiative mit nahezu 500.000 Unterschriften für die Abschaffung der Beiträge; außerdem erreichten den Landtag inzwischen hunderte Resolutionen und Petitionen.
Einige Bundesländer haben die Beitragserhebung bereits zu den Akten gelegt, und zuletzt schaffte Bayern die Beiträge rückwirkend zum 1. Januar 2018 ab. Stefan Kämmerling zeigte sich fest davon überzeugt, dass sich auch in NRW die Gesetzeslage ändern wird: „Ich glaube, dass unser Gesetzentwurf nicht chancenlos ist. Der Druck aus der Bevölkerung ist enorm groß.“ Er sei aber Realist genug, um zu wissen, dass die CDU-geführte Landesregierung den SPD-Antrag in der vorliegenden Form wohl kaum übernehmen werde.
Sollen Kommunen entscheiden?
Kein gutes Haar ließ der aus Eschweiler stammende Abgeordnete an einem Antrag von CDU und FDP zu den Straßenausbaugebühren, den die beiden Fraktionen als Reaktion auf die SPD-Initiative eingebracht hätten. Dieser Antrag bleibe weit hinter den Zielen des SPD-Gesetzentwurfes zurück. Vor allem missfiel Kämmerling die Überlegung, dass die Kommunen zukünftig selbst über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entscheiden sollten. „Das wäre ein Riesenfehler“, sagte er. Diese Praxis würde dazu führen, dass reiche Kommunen zukünftig keine Beiträge von den Bürgern erheben würden, finanzschwache aber weiterhin die Bürger zur Kasse bitten würden oder aber gezwungen seien, ganz auf Straßenausbaumaßnahmen zu verzichten. Dies würde vor allem den ländlichen Raum betreffen.
Als Beispiel nannte er Roetgen, wo die Gemeinde den dringend notwendigen Ausbau der Kalfstraße auf unbestimmte Zeit verschoben habe. Kämmerling verglich das jetzige System der Beitragserhebung mit einem „riesigen Flickenteppich“, da jede der 396 Kommunen in NRW eine individuelle Auslegung des Gesetzes praktiziere. Kämmerling zeigte an einer Vielzahl von Beispielen die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten auf. Anliegerbeiträge im fünfstelligen Bereich bis hin zu 25.000 Euro für ein Grundstück seien keine Seltenheit. Die Tendenz zeige zudem weiter nach oben, da in den vergangenen Jahren die Tiefbaukosten regelrecht explodiert seien.
„Der Markt ist völlig überhitzt“, sagte der Landtagsabgeordnete und legte dar, dass die Baukosten von 1970 bis 2018 um 275 Prozent gestiegen seien. Allein die Steigerung von 2017 zu 2018 habe bei sieben Prozent gelegen. Die Landesregierung habe zuletzt eine Summe von 127 Millionen Euro genannt, die im Landeshaushalt durch Einzahlungen aus Straßenausbaubeiträgen jährlich verbucht würden. Das mache gerade einmal 0,165 Prozent des gesamten Landesetats aus. Als alternative Finanzierung schlägt die SPD in ihrem Gesetzentwurf vor, diese Mittel den Kommunen im Zuge des Gemeindefinanzierungsgesetzes als Straßenunterhaltungspauschale, ähnlich wie bei Schulen und Sportstätten, unter Hinzuziehung eines „sinnvollen Verteilungsschlüssels“ zur Verfügung zu stellen, ergänzte Kämmerling.
Ungerechtigkeiten durch Stichtag
Klares Ziel der SPD sei es, insbesondere vor dem Hintergrund zahlreicher Härtefälle, die Bürger zu entlasten. Ungerechtigkeiten seien aber auch bei einer Gesetzesänderung nicht auszuschließen, da letztlich ein Stichtag für das Herausschicken von Bescheiden festgelegt werden müsse. Auch in diesem Punkt hat sich die SPD bereits festgelegt, nämlich auf den 1. Januar 2019. Wenn es so kommen würde, bedeutet das z. B. Pech für die Bürger aus Huppenbroich, die im Vorjahr ihre Anliegerbeiträge entrichtet haben.
In der anschließenden Diskussion konnte der SPD-Abgeordnete durchweg Zustimmung für den SPD-Gesetzentwurf notieren, auch wenn Eicherscheids Ortsvorsteher Günther Scheidt die genannten Zahlen als „utopisch“ bezeichnete und anmerkte, dass beispielsweise in Eicherscheid die Grundstückseigentümer mit durchschnittlich 2000 bis 2500 Euro an Straßenausbaubeiträgen zu rechnen hätten. Einig war er sich aber mit Kämmerling in der Bewertung, dass die Beitragsspanne sehr groß ist und die Höhe der Anliegerkosten wesentlich von der Art des Ausbaus bestimmt wird.
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