Eifeler Zeitung, Peter Stollenwerk

Seniorenheim muss Betrieb einstellen

„Gravierende Pflegemängel“ in der Stadtresidenz Simmerath festgestellt. Schicksal der 58 Bewohner ist noch ungeklärt.

Simmerath. Beschwerden über Missstände im Seniorenheim am Simmerather Rathausplatz waren der Städteregion Aachen schon seit über einem Jahr bekannt, und immer wieder war in Gesprächen mit der Heimleitung versucht worden, die Defizite abzustellen. Jetzt aber war offenbar das Maß voll: In einer Blitzaktion hat die Heimaufsicht der Städteregion Aachen eine sogenannte Betriebsuntersagungsverfügung ausgesprochen. Diese besagt, dass die Stadtresidenz Simmerath nur noch bis zum 4. Oktober den Betrieb weiterführen darf. Dann wird die Einrichtung geschlossen.

In einer eilends einberufenen Pressekonferenz erläuterten die Leiterin des städteregionalen Sozialamtes, Angelika Hirtz, und Stefan Xhonneux von der Heimaufsicht Städteregion Aachen am Nachmittag die weitreichende Entscheidung. Massive Mängel in der Pflegequalität, die bereits über einen längeren Zeitraum festgestellt wurden, hätten zu diesem Schritt geführt.

„Die Pflegemängel stellten eine echte Gefährdung der Bewohner dar. Da war kein Aufschub mehr zu verantworten“, begründet Xhonneux die kurzfristige Aktion, die nun neue Probleme schafft. Zwar will sich die Städteregion um „individuelle Lösungen“ bei der anstehenden Unterbringung in anderen Häusern in der Städteregion bemühen, aber lieber wäre ihr eine schnelle Nachfolge-Regelung in der Trägerschaft des Simmerather Seniorenheims. Dann könnten die aktuell 58 Bewohner im Haus bleiben. Die Chancen für eine solche pragmatische Lösung stehen aber eher schlecht.

Beschwerden schon 2015

Im Februar 2015 bereits hatte die Städteregion erstmals von Angehörigen und Bewohnern Beschwerden über Missstände in der Pflege erhalten und bei einer Prüfung vor Ort diese zum großen Teil als berechtigt bewertet. Die Heimaufsicht war ab diesem Zeitpunkt ständiger Gast in der Simmerather Einrichtung, aber eine wesentliche Besserung trat nicht ein. Es habe an qualifiziertem Personal gemangelt, die Pflegestandards für die Bewohner seien nicht erfüllt worden, so die Feststellungen vor Ort. Vor drei Monaten erhöhte die Städteregion dann den Druck und verordnete einen Maßnahmenkatalog mit elf Punkten, um Pflegequalität wieder herzustellen. Sogar Zwangsgelder wurden dem Haus auferlegt, die auch bezahlt wurden. Außerdem wurde ein Aufnahmestopp angeordnet.

„Die Pflegemängel stellten eine echte Gefährdung der Bewohner dar. Da war kein Aufschub mehr zu verantworten.“

Stephan Xhonneux,
Heimaufsicht Städteregion Aachen

Das Haus bietet insgesamt 80 Pflegeplätze. Die Beschwerden aber nahmen nicht ab, so dass der Betreiber, die Alloheim Senioren-Residenzen GmbH Düsseldorf, am 19. September über die bevorstehende Schließung der Einrichtung informiert wurde. Als letzten Rettungsanker legte die Heimleitung noch einen Maßnahmenkatalog vor. Nachdem die Heimaufsicht sich dann einige Tage später konkret den Pflegezustand von sieben Bewohnern angeschaut hatte und erneut keine Besserung feststellte, blieb als einzige Konsequenz nur noch die Schließung.

Die Schließung der Seniorenresidenz Simmerath am Rathausplatz ist von der Heimaufsicht der Städteregion Aachen angeordnet worden. Massive Mängel in der Pflegequalität werden als Grund genannt.
Die Schließung der Seniorenresidenz Simmerath am Rathausplatz ist von der Heimaufsicht der Städteregion Aachen angeordnet worden. Massive Mängel in der Pflegequalität werden als Grund genannt.

„Es war einfach zu wenig Personal da“, sagt eine betroffene Angehörige, die ihre Mutter in der Simmerather Einrichtung untergebracht hat. Wenn die Heimleitung argumentiere, dass sie kein Pflegepersonal gefunden habe, hänge das auch damit zusammen, dass das Haus gegenüber anderen Einrichtungen „einen Hungerlohn“ gezahlt habe. Immer wieder habe man die Missstände angesprochen, doch nach einem Wechsel in der Heimleitung vor anderthalb Jahren sei „alles noch schlimmer geworden“.

Ein anderer Angehöriger, dessen Vater in der Seniorenresidenz lebt, hofft inständig, dass es den Bewohnern erspart bleibt, in andere Häuser „gekarrt zu werden“. Es sei für ihn absolut unverständlich, wie der Betreiber das Haus sehenden Auges „vor die Wand fährt“.

Eine weitere betroffene Angehörige, die ihre Mutter vor wenigen Monaten im Altenheim anmeldete (obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits der Aufnahmestopp verhängt worden war), verließ ziemlich irritiert die Angehörigen-Informationen am Nachmittag: „Wir haben heute von der Geschäftsführung erfahren, dass die Heimaufsicht schon seit Monaten die Missstände anspricht und die Heimleitung bereits mehrfach vorgewarnt worden ist. Aber anscheinend hat der Betreiber nicht reagiert.“ Dieses Verhalten ist für sie nicht nachvollziehbar. „Das ist ein absoluter Tiefschlag“, sagte gestern Simmeraths Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns. Er will sich dafür einsetzen, „dass in dieser Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen ist“.

Keine Stellungnahme

Die Alloheim Senioren-Residenzen GmbH verfügt über 126 Standorte mit über 11 000 Beschäftigten in Deutschland. Kritik an Einrichtungen der Gesellschaft gibt es offenbar nicht nur in Simmerath. Auch in Alloheim-Häusern in Saarbrücken und Erfurt sind Pflege-Missstände von Betroffenen öffentlich gemacht worden. Zu einer Stellungnahme stand die Alloheim-Geschäftsführung bislang nicht zur Verfügung.

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