Beim ersten Besuch eines NRW-Ministerpräsidenten hat Armin Laschet eine gute Nachricht für Simmerath im Gepäck.
SIMMERATH „Wenn man das hier so hört, glaubt man, es gäbe im ganzen Land nur Simmerath!“ Armin Laschet muss bei diesem Satz dann zwar lachen. Doch hinter dem Ausspruch steckt durchaus ehrlich gemeinte Anerkennung. Beim ersten offiziellen Besuch eines nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten in Simmerath präsentiert sich die Gemeinde dem CDU-Politiker nämlich als florierende ländliche Bilderbuchkommune.
Die Liste von Erfolgen der vergangenen Jahre und Monate, die Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns dem Parteifreund aus Aachen darlegt, will tatsächlich kaum ein Ende nehmen. Ob gut funktionierende Wirtschaft, steigende Einwohnerzahlen, ein ausgeglichener Haushalt trotz vergleichsweise niedriger kommunaler Steuern, Investitionen in Bildungseinrichtungen von überregionaler Bedeutung, vorbildliche Energiebilanz, eine der „fünf besten Kliniken im Rheinland“ (Laschet) und nicht zuletzt: eine erfreuliche Entwicklung im Bereich Tourismus, der von der einmaligen Natur rund um Rursee und Nationalpark profitiert. Kurzum: Es gibt vermutlich deutlich unangenehmere Termine im Leben eines Landesvaters.
Ein Bonbon für die Gastgeber
Zumal Laschet auch noch ein Bonbon im Gepäck hat: Einruhr und Rurberg (Süd) dürfen ab sofort den prestigeträchtigen Titel Luftkurort führen, was im Wettbewerb um Touristen ein weiteres Plus sein dürfte. „Es ist hier schön, die Luft ist besser als in der Stadt und gleichzeitig ist die Stadt auch nicht weit weg“, fasst Laschet zusammen, was die Gemeinde selbst an Botschaften in ihren aktuellen Imagekampagnen transportiert. „Trotz dieser positiven Ausgangssituation ist die Entwicklung aber keineswegs selbstverständlich“, lobt Laschet und spekuliert, ob die vielen Neugeborenen in diesem Jahr – ein 20 Jahre alter Rekord wird überboten – nicht auch eine Folge der guten Luft sein könnten. „Von wegen Luft und Liebe und so.“
Gibt es vielleicht einen Zusammenhang zwischen den vielen Neugeborenen und der guten Luft? Von wegen Luft und Liebe und so …
Armin Laschet (CDU)
NRW-Ministerpräsident
Der Aachener wartet zu Beginn seiner Ansprache mit persönlichen Anekdoten auf. Denn ihn verbindet eine lange, der Öffentlichkeit eher unbekannte Geschichte mit Simmerath, da die Familie seiner Mutter aus Hammer und Eicherscheid stammt. Am Rursee erreichte ihn zudem ein für die politische Karriere entscheidender Anruf: Der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers fragte an, ob Laschet nicht sein Mandat im Europaparlament gegen einen Ministersessel in Düsseldorf tauschen wolle. Laschet sagte zu, der Rest ist Geschichte.
Mehr als nur Nettigkeiten
Neben dem Austausch von Nettigkeiten gibt es bei der „repräsentativen Ratssitzung“ unter Anwesenheit vieler Ratspolitiker und Vertreter der örtlichen Wirtschaft aber auch ernste Themen. Laschet betont, ein besonderes Ziel der Landesregierung sei es, Stadt und Land zusammenzuführen. Er reagiert damit auch auf die Forderungen des Simmerather Bürgermeisters. Der bittet den Parteifreund um Unterstützung für das ehrgeizige Projekt „Regiotram Süd“, die nach den Vorstellungen der örtlichen Kommunen einmal die Eifel mit dem Oberzentrum Aachen verbinden soll – und damit auch die chronisch verstopfte B 258 entlasten würde. Hermanns kritisiert aber auch die nach wie vor ungleiche Gewichtung von Einwohnerzahlen bei den finanziellen Schlüsselzuweisungen vom Land. „Seit Jahrzehnten wird hier der ländliche Raum gegenüber den Städten benachteiligt, weil diese pro Einwohner mehr Mittel vom Land erhalten. Wir bitten Sie, diese Ungleichbehandlung möglichst zu beenden.“ Laschet macht dem Simmerather in diesem Punkt allerdings wenig Hoffnung: Die Städte – vor allem im armen Ruhrgebiet – hätten enorme Altschulden und auch andere strukturelle Probleme, weshalb sich an der Verteilung nicht viel ändern werde. Laschet wirbt an dieser Stelle für das von Opposition und Umweltverbänden harsch kritisierte „Entfesselungspaket“: Die Landesregierung wolle wieder mehr Entwicklung im ländlichen Raum zulassen. „Dort, wo jemand Arbeitsplätze schaffen will, müssen wir entsprechende Möglichkeiten schaffen, dass er das auch umsetzen kann“, sagt Laschet. Er spricht von „neuen Möglichkeiten für das Land“, die Abwägung von Interessen müsse fairer gestaltet werden.
Einen Dissenz mit der örtlichen Politik gibt es auch in der Frage des Ausbaus der Windkraft. Während die Gemeinde inzwischen Energieexporteur ist, noch mehr Anlagen bauen möchte und auf das Erreichte durchaus stolz ist, bremst die Landesregierung den weiteren Ausbau im Land mit neuen Abstandsregelungen voraussichtlich massiv. Laschet verteidigt diese geplanten Änderungen in Simmerath auf Nachfrage des SPD-Fraktionschefs Gregor Harzheim wortreich. „Wir brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung“, sagt Laschet. Landesweit gebe es derzeit mehr als 350 Klagen gegen Windkraftprojekte, viele davon in Ostwestfalen. Gesucht werde eine Regelung, die den weiteren Ausbau „verträglich gestaltet“.
Wenn man das hier so hört, dann glaubt man, es gäbe im ganzen Land nur Simmerath!
Armin Laschet reagiert auf die Erfolgsliste
des Bürgermeisters mit Humor und Anerkennung
SPD-Ratsherr Stephan Kaever nutzt alsdann die Gelegenheit, den Ministerpräsidenten auf das aus Bürgersicht leidige Thema der Straßenbaubeiträge anzusprechen, die für die Bewohner von Eicherscheid und Steckenborn im kommenden Jahr erneut zum Thema werden. Laschet antwortet ausweichend: „Wir können die Beiträge morgen abschaffen und die Gemeinde zahlt dann das Geld. Das wollen wir aber nicht.“ Man strebe in diesem Spannungsfeld einen „guten Kompromiss“ an. „Im Übrigen ist es schon bemerkenswert, dass die SPD dieses Thema erst am 14. Mai 2017 entdeckt hat – als sie die Landtagswahl verloren hatte“, sagt Laschet und erntet viele Lacher. Eicherscheids Ortsvorsteher Günter Scheidt (CDU) startet einen weiteren Versuch, kann den Landesvater aber nicht auf eine konkrete Zusage festnageln.
So bleibt von diesem tatsächlich historischen Besuch für die Gemeinde Simmerath vor allem die Erkenntnis, dass man hier nicht gerade zu den Sorgenkindern der Landesregierung zählt. Weil das in der Vergangenheit längst nicht immer so war – die Eifel galt in grauer Vorzeit vielmehr als Armenhaus – sorgt das am Ende dann doch allenthalben für beste Stimmung.
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