Künftig höhere Sätze für U3-Kinder. Eltern kritisieren auch, dass Geschwisterkinder nicht immer beitragsfrei sind.
NORDEIFEL Das Schreiben der Städteregion kam letzte Woche, sein Inhalt war für viele Eltern überraschend: „Falls Sie aufgrund der neuen Bedingungen ihre Platzbuchung für das kommende Kindergartenjahr ändern möchten, haben Sie hierzu online im neuen Elternportal … bis zum 15.01.2020 die Möglichkeit“, stand da zu lesen. Es war der Begleitsatz zu den „voraussichtlichen künftigen Elternbeiträgen“, die der Städteregionstag im Dezember nach kontroverser Debatte beschlossen hatte und die am 1. August 2020 greifen sollen. Während Politiker und Verwaltungen bezüglich der künftigen Beitragssätze von „mehr Gerechtigkeit und ausgewogener Lastenverteilung“ sprechen, sehen betroffene Eltern noch einige Ungereimtheiten in der neuen Satzung.
„Nicht nachzuvollziehen“
Wie Familie Steffens aus Mützenich. Deren Sohn Mats wird im September fünf Jahre alt, ist dann ein (sehr junges) Vorschulkind und entsprechend beitragsfrei. Das wäre als Geschwisterkind grundsätzlich auch Mats‘ Brüderchen Jonas, der Ende Februar zwei wird und damit im August auch dem – kostenintensiveren und beitragshöheren – U2-Alter entwachsen sein wird. Dachten Anja und Christian Steffens. Weil sie den zweiten Filius deshalb im Dezember für August online anmeldeten, erfuhren sie schon früher, dass sie doch für ihn Beiträge werden zahlen müssen. „Das ist nicht nachzuvollziehen. Im ersten Satz der neuen Beitragssatzung steht: ‚Nach wie vor bleiben Geschwisterkinder vom Beitrag befreit‘. Oder verstehen wir da etwas falsch?“, fragt Christian Steffens.
Seine Frau Anja arbeitet schon jetzt stundenweise als Krankenschwester in der Notfallambulanz des Aachener Klinikums. „Ich möchte vor allem weiter und vielleicht mehr arbeiten gehen, weil wir den familiären Hintergrund haben, weil es mir Spaß macht und man einfach den Anschluss verliert, wenn man zu lange Pause macht. Und Pflegepersonal ist ja auch bekanntlich rar gesät. Finanziell lohnen tut sich das nicht. Wären beide Kinder wie geplant ab Sommer beitragsfrei, dann wenigstens ein bisschen“, sagt die 39-Jährige.
Der finanzielle Aspekt ist bei den Steffens aber nicht der ausschlaggebende Punkt für die Kritik, „sondern die Art und Weise, wie das Alter der angeblich pflegeintensiveren Kinder von U2 auf U3 klammheimlich heraufgesetzt wurde“, sagt Christian Steffens und weiß von „vielen Familien allein in unserem Umfeld“ zu berichten, die es noch deutlich härter trifft.
Das Problem der „teureren“ beziehungsweise neu gebührenpflichtigen Kinder zwischen zwei und drei Jahren sieht auch Werner Krickel, Mitglied der Grünen im Städteregionstag. „Hier wurde die Satzung hinsichtlich der Altersgruppen an das geltende KiBiZ (Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern) und an die unterschiedlichen Pauschalen, die das Land für die Kinder je nach Alter zahlt, angepasst. Das führt dazu, dass jetzt erst die Kinder über drei Jahre in die günstigere Beitragsstaffel kommen. Dies entspricht aber den in den letzten Jahren gewonnenen Erfahrungswerten, was Betreuungsaufwand und Kosten angeht“, sagt Krickel. Der Abgeordnete aus Monschau hat deshalb ebenso wie die anderen Fraktionsmitglieder von Grünen und CDU im Dezember für die neue Satzung gestimmt, die die Verteilung der tatsächlich entstehenden Kosten gerechter verteile und vor allem untere und mittlere Einkommen entlaste, so Krickel, der auch Zahlen nennt: „Die Kita ist jetzt bis zu einem Einkommen von 26.000 Euro im Jahr beitragsfrei, vorher nur bis 12.271 Euro. Bei der Ü3-Betreuung sparen alle Eltern, es gibt allerdings Mehrkosten bei der U3-Betreuung, insbesondere in den Einkommensklassen ab 55.000 Euro pro Jahr.“ Eine „gerechtere Aufteilung nach echten Nutzungszeiten“ sehen auch Monschaus Bürgermeisterin Margareta Ritter und ihr Simmerather Amtskollege Karl-Heinz Hermanns in der neuen Satzung. „Stellt man bisherige und künftige Sätze gegenüber, ist erkennbar, dass über eine Kindergartenlaufzeit alle Eltern in den Beitragszahlungen entlastet werden – mit Ausnahme des neuen Spitzeneinkommens von über 91.000 Euro. Geschwisterkinder sind nach wie vor von der Beitragszahlung befreit“, bekräftigt Ritter.
Erfolge in jüngerer Vergangenheit
Die Bürgermeisterin, die wie ihre Kollegen der AG Jugendhilfe angehört und dort die Anpassung der Elternbeiträge mitberaten hatte, verweist wie der Leiters des Jugendamtes der Städteregion, Sebastian Heyn, auf die erheblichen Leistungen und Erfolge in der jüngeren Vergangenheit: „Die letzte Änderung der Elternbeitragssatzung erfolgte im Jahre 2009. Erkennbar haben wir seitdem in den Ausbau unserer Kita-Einrichtungen erheblich investiert, um allen Anfragen auf Betreuung entsprechen zu können. Desweiteren gelingt es uns, allen Anfragen nach U3-Plätzen zu entsprechen. Die Betreuungsquote im U3-Bereich beträgt im Jugendamtsbezirk durchschnittlich 53 Prozent, was landesweit bemerkenswert ist“, sagen Ritter und Heyn. Durch die geplante Änderung zum 1. August würden „die Familien zudem darin unterstützt, Kindererziehung und Beruf noch besser zu vereinbaren“, sind sie überzeugt.
Das sieht Janine Köster (SPD) aus Roetgen komplett anders. „Die Erhebung von Gebühren im Kitabereich und insbesondere die neue Gebührensatzung behindern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wovon in den meisten Fällen Frauen betroffen sind, die sich gegen den Wiedereinstieg aus finanziellen Gründen entscheiden müssen. Im Trennungsfall und im Alter kann dies bittere Folgen haben, die es politisch zu verhindern gilt“, meint die Städteregionsabgeordnete und folgert: „Im Sinne der Gerechtigkeit und da Familienplanung kein Rechenspiel sein darf, sollten das zweite und weitere Kinder in der Kita kostenfrei sein, unabhängig vom derzeitigen Zahlstatus der älteren Geschwister und weil die Familien sonst ungerecht mehrbelastet werden als in ‚günstigeren‘ Geburtsfolgekonstellationen. Gleiches wünsche ich mir auch für die OGS“, sagt Köster und liegt auf einer Linie mit dem Roetgener Bürgermeister, ihrem Parteigenossen Jorma Klauss. Dieser findet es „schade, dass den guten Vorbildern im Kreis Düren und in Stolberg (Anm. der Redaktion: dort werden Gebührenfreiheit beziehungsweise ein drittes beitragsfreies Kitajahr eingeführt) nicht gefolgt wurde. „Da wir uns als Gemeinde Roetgen ausdrücklich als familienfreundlich verstehen, sehe ich das im kommunalen Vergleich nun als Standortnachteil. Auch der Gebührenunterschied zwischen U3- und Ü3-Betreuung findet nicht seine Zustimmung: „Ich halte es für ein Gerücht, dass die Betreuung von Kindern mit dem dritten Geburtstag schlagartig viel weniger Aufwand mit sich bringt.“
Einen Hoffnungsschimmer für die Kritiker der neuen Satzung hält Alexander Lenders, CDU-Mitglied im Städteregionstag, bereit. „Ich bin auf die neue Regelung auch schon von verschiedenen Eltern angesprochen worden. Ich halte es für richtig, dass wir uns die neue Satzung noch einmal darauf hin anschauen, ob durch sie neue Ungerechtigkeiten entstanden sein könnten. Wenn dies so ist, müssen wir nachbessern.“
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