Eifeler Zeitung, Michael Grobusch

Krischer will „ganz großes Ding“ drehen

Städteregionsrat: Grüne nominieren einstimmig ihren Kandidaten. Bundestagsabgeordneter gibt ehrgeizige Ziele aus.

Städteregion Irgendwie schien Reiner Priggen das gerade Geschehene nicht ganz geheuer zu sein. „Wir müssen die Abstimmung wiederholen“, rief das Grünen-Urgestein der jubelnden Menge zu, nachdem diese Oliver Krischer mit glatten 100 Prozent der Stimmen als Kandidaten für die Wahl des Städteregionsrates am 4. November gekürt hatte. 100 Prozent? Ja, da war doch was. Aber an Martin Schulz und dessen weiteren Werdegang nach der legendären Wahl zum Kanzlerkandidaten der SPD im März 2017 wollte an diesem Abend im Eschweiler Talbahnhof niemand ernsthaft denken. Stattdessen genossen die Mitglieder des städteregionalen Kreisverbandes den Coup, der ihnen mit der Nominierung von Krischer gelungen war. Denn mit dieser, davon sind die Grünen offenbar überzeugt, ist aus dem vermeintlichen Zweikampf um die Nachfolge von Helmut Etschenberg zwischen Tim Grüttemeier (CDU) und Daniela Jansen (SPD) ein Dreikampf geworden.
Dabei begann die Versammlung zunächst alles andere als nach Plan. Der Flug, mit dem der Bundestagsabgeordnete und Fraktionsvize von Berlin nach Köln kommen wollte, war kurzerhand gestrichen worden, die Alternativmaschine nach Düsseldorf hatte 45 Minuten Verspätung. So mussten sich die 53 stimmberechtigten Mitglieder im Talbahnhof in Geduld üben und hätten zur Überbrückung gerne die Vorstellung des zweiten Kandidaten erlebt, der seinen Hut in den Ring geworfen hatte. Doch Ulrich Wahl blieb der Veranstaltung fern. Auf dem Stimmzettel erschien sein Name dennoch, weil die Kandidatur gültig war. Zustimmung gab es für das Neumitglied aus Aachen aber keine.

Nach der einstimmigen Nominierung gab es Geschenke von allen städteregionalen Ortsverbänden :Grünen-Kandidat Oliver Krischer wurde im Eschweiler Talbahnhof frenetisch gefeiert. Foto: Ralf Roeger

Oliver Krischer musste sich diesbezüglich keine Gedanken machen. Geradezu frenetisch wurde er gefeiert, als er dann endlich, von Reiner Priggen im Auto nach Eschweiler chauffiert, den Saal betrat. Und weil er zwar dank seiner Funktionen mittlerweile zu den prominentesten Grünen in Deutschland zählt, aber als Dürener gleichwohl noch längst nicht jedem Parteikollegen in der Städteregion persönlich bekannt ist, nutzte der 49-Jährige die Gunst der Stunde und dehnte die mit zehn Minuten angesetzte Vorstellungsrunde auf eine gute Dreiviertelstunde aus. Krischer berichtete davon, dass ihm das baldige Ende des Braunkohleabbaus und der Kampf gegen den Betrieb der belgischen Atomkraftwerke in Tihange und Doel besonders am Herzen liege. Und dass er den Eindruck habe, dass SPD und CDU Klimaschutz und Kohleausstieg gleichermaßen als Teufelswerk für die Region brandmarkten. „Wir müssen uns jetzt darum kümmern, den Strukturwandel zu gestalten.“ Dann könne dieser als große Chance genutzt werden. „Schließlich sind wir eine der zukunftszugewandtesten Technologieregionen Deutschlands.“ In diesem Sinne will Oliver Krischer die Entwicklung weiter vorantreiben. Den Takt der Euregiobahn will er verdichten, ein Ein-Euro-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr einführen und die Solarkraft massiv ausbauen. „Ich möchte erreichen, dass es in zehn Jahren auf jedem Dach in der Städteregion eine Photovoltaikanlage geben wird.“ Das sei zwar nur mit Hilfe des Bundes möglich, aber: „Durch die Abschaffung des Diesel- und Dienstwagenprivilegs wäre das problemlos zu leisten“, zeigte sich der Bundestagsabgeordnete überzeugt.

Ich möchte erreichen, dass es in zehn Jahren auf jedem Dach in der Städteregion eine Photovoltaikanlage geben wird.

Oliver Krischer
Grünen-Kandidat für die Städteregionsratswahl


Einen weiteren Schwerpunkt will er auf die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum legen. „Eine ordentliche und finanzierbare Wohnung ist ein Menschenrecht“, erklärte Krischer und lobte erste Ansätze der schwarz-grünen Koalition in der Städteregion, die beschlossen hatte, einen Teil der RWE-Aktien zu veräußern und den Erlös – rund zwei Millionen Euro – in den sozialen Wohnungsbau zu investieren.

Der Ausbau der Bildungszugabe, die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes und nicht zuletzt die Intensivierung des Artenschutzes benannte Oliver Krischer als weitere Ziele, falls er denn am 4. November – oder zwei Wochen später in einer möglichen Stichwahl – zum neuen Städteregionsrat gewählt werden sollte.

Das sei, so betonte Krischer nach seiner Nominierung, durchaus möglich. „Aber alleine werde ich diese Wahl nicht gewinnen können. Wir müssen unsere Botschaften nun alle gemeinsam in die Fläche tragen. Dann können wir ein ganz großes Ding drehen.“

Gefällt's? Empfehle uns weiter!