Würselen „27 Jahre lang habe ich mit Leidenschaft als Altenpflegerin gearbeitet.“ Claudia Moll lässt keinen Zweifel daran, dass ihrem Brotberuf noch immer ihr Herz gehört. Doch im vergangenen Jahr hat sich für die Sozialdemokratin aus Eschweiler die Welt geändert, zumindest ein bisschen: In direkter Wahl haben sie die Bürger nach Berlin, in den Bundestag, geschickt.
Auch wenn sie die Arbeit im Parlament noch so ausfüllt – ihr Herz ist immer noch bei der Pflege. Wie sehr – das ließ die SPD-Politikerin bei einer Veranstaltung in der Reihe „Fraktion vor Ort“ im Alten Rathaus zu Würselen durchblicken.
Ob es nun um die Bezahlung geht, die gesellschaftliche Wertschätzung oder die Gewinnung von Nachwuchs geht – beim Stichwort „Pflege“ geht Claudia Moll noch immer „ab wie eine Rakete“. So lebte das Forum in der Düvelstadt ein ganzes Stück weit vom bodenständigen Charme und dem leicht explosiven Temperament der Abgeordneten.
Zusammen mit ihr nahm ihre Parteifreundin und Bundestagskollegin Heike Baehrens aus Stuttgart auf dem Podium Platz – und mit ihr Pflegedienstleiter Stefan Graf aus Aachen-Haaren, Ver.di-Gewerkschaftssekretär Harald Meyer (Aachen) und Bernd Bogert, Chef der St.-Gereon-Seniorendienste in Hückelhoven-Brachelen. Ihnen gegenüber: ein Publikum, das sich aus Fachkräften und ein paar (ehemals) pflegende Angehörige. Worauf es in der Pflege ankommt – das ist diesen Menschen klar, aber nicht so klar, als dass es nicht gelegentlich doch zum Wettstreit der Meinungen gekommen wäre.
Krise in dem Bereich
Grund für die Krise in diesem Bereich sei unter anderem das Eindringen von rein kommerziell orientierten Anbietern in den Markt, befand Bernd Bogert. Der bewies zudem Talent für den ironischen bis kabarettistischen Blick aufs eigene Metier: „Wenn Sie nicht wissen, was Sie tun sollen: Gehen Sie in ein Pflegeheim, und der Alltag wird ihnen durchstrukturiert – 24 Stunden am Tag.“
Mit seiner Kritik an rein wirtschaftlich orientierten Anbietern stieß der Fachmann aus dem Kreis zudem auf Sympathie bei Heike Baehrens, bis zur Wahl in den Bundestag anno 2013 Geschäftsführerin des Diakonischen Werks in Württemberg: „Anonyme Investoren erwirtschaften Rendite zu Lasten der Menschen.“ Äußerst meinungsfreudig wie die Experten auf dem Podium gaben sich auch die Zuhörer im Saal, als die Diskussion auch für sie geöffnet wurde.
Claudia Liepertz, Fachbereichsleiterin für Pflege und Betreuung bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Aachen-Land, etwa: „Mir fehlen die Menschen, die ich einstellen kann“, beklagte sie und präsentierte den Politikern und Fachleuten auch gleich ihre Forderungen. Erstens: „Arbeitsverdichtung abschaffen“.
Was bedeutet: Neueinstellungen sollen den Druck von den Fachkräften nehmen. Und zweitens: „Gute Qualifikation ermöglichen und Azubis nicht im Stellenplan berücksichtigen.“ Und das heißt: Fertige examinierte Kräfte sollen die Arbeit in erster Linie tragen.
Fotos: Gabriele Keutgen-Bartosch
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