Verabschiedet wird das 713-Millionen-Euro-Werk aber erst in zwei Wochen. Blick auf Schwerpunkte der Fraktionen.
STÄDTEREGION An diesem Abend wird schnell deutlich, dass der Haushalt 2019 unter besonderen Vorzeichen steht. Zum einen ist es das letzte Zahlenwerk, das in der Amtszeit von Städteregionsrat Helmut Etschenberg verabschiedet werden wird. Zum anderen wirkt sich die Wahl von dessen Nachfolger Tim Grüttemeier auf die Beratungen aus. Denn von den sonst üblichen zwei Lesungen im Städteregionsausschuss bleibt diesmal nur eine übrig. Zuvor hatten die Fraktionen ihren Fokus auf den Wahlkampf gerichtet. Erläuterungen und Diskussionen gibt es deshalb nicht. Die Fraktionen beschränken sich darauf, ihre Änderungslisten zu verteilen. Der Schlagabtausch findet erst am 13. Dezember im Städteregionstag statt. Der wird den Haushalt 2019, der ein Volumen von rund 713 Millionen Euro hat, dann auch verabschieden.
Dass er die Handschrift der schwarz-grünen Koalition tragen wird, steht aber schon jetzt fest. Vieles ist im Vorfeld mit der Verwaltung abgesprochen worden, einen überschaubaren Änderungskatalog werden CDU und Grüne in zwei Wochen dann noch mit ihrer Mehrheit durchsetzen. Ob’s auch der ein oder andere Vorschlag der Opposition in die letzte Fassung schaffen wird, bleibt indes abzuwarten.
Eine „stolze“ Koalition
„Auf diesen Haushalt können wir stolz sein“, betont Ulla Thönnissen im Gespräch mit unserer Zeitung. „Er steht für einen Aufbruch und setzt bei den Versprechen an, die wir im Wahlkampf gemacht haben“, ist die CDU-Fraktionsvorsitzende überzeugt. Beispielsweise bei der Digitalisierung. Eine Million Euro will die Koalition für eine „digitale Werkstatt für den Mittelstand“ bereitstellen. Zielgruppe: „Das produzierende Gewerbe und die dort tätigen Fachkräfte, die auf die digitalen Herausforderungen vorbereitet werden sollen“, unterstreicht Thönnissen.
„Wir haben aber auch das andere Ende des Arbeitsmarktes im Blick“, betont Werner Krickel. Das neue Teilhabechancengesetz biete da gute Chancen, findet der Grünen-Fraktionsvorsitzende und kündigt an, dass zunächst 25 Stellen im Apparat der Städteregion mit Langzeitarbeitslosen besetzt werden. Von den hierfür veranschlagten 750.000 Euro wird der Bund voraussichtlich 730.000 Euro übernehmen.
„Eigenes Geld“ – konkret geht es um 250.000 Euro – muss hingegen für die Förderung von psychisch Beeinträchtigten aufgebracht werden. Sie sollen, anknüpfend an das in diesem Jahr initiierte kommunale Programm für Langzeitarbeitslose, in die Schaffung weiterer Beschäftigungsverhältnisse speziell für diese Klientel fließen. Damit ist dann auch die erste Übereinstimmung mit der SPD benannt, die denselben Vorschlag unterbreitet.
Weitere Schwerpunkte der Koalition liegen auf der Förderung des sozialen Wohnungsbaus, diesmal mit dem Schwerpunkt Sanierung statt Neubau, und auf einer Kapitalerhöhung beim Rhein-Maas-Klinikum – wenn sich die Knappschaft Bahn-See als zweiter Gesellschafter ebenfalls zu einem solchen Schritt bereit erklärt. Jeweils zwei Millionen Euro sind in den Plänen von CDU und Grünen vorgesehen. Sie sollen durch den Verkauf von weiteren RWE-Aktien herbeigeschafft werden.
SPD bleibt auf Jansen-Kurs
Manfred Bausch
stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD
Die SPD setzt in ihren Haushaltsvorschlägen für das kommende Jahr inhaltliche Schwerpunkte bei Arbeit, Wohnen, Soziales und Digitales und damit genau auf die Themen, mit denen ihre Kandidatin Daniela Jansen in den Städteregionsratswahlkampf gezogen war. Die Wahl hat sie verloren, die Themen aber seien für das „Jahr eins nach Helmut Etschenberg“ trotzdem relevant, betont Martin Peters. Fünf Millionen Euro will die SPD der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft für ein 100-Wohnungen-Programm im sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen, 200.000 Euro sollen „in Pilot-Projekte in sozial besonders belasteten Stadtvierteln fließen, die die Sozialplanung ausgemacht hat“, erläutert der Fraktionsvorsitzende. „Wir sollten als Städteregion den Kommunen nicht nur sagen, da oder dort müsst ihr etwas tun, sondern mit einzelnen Projekten den Anstoß geben“, erklärt Manfred Bausch. Das könne etwa in Stolberg-Mühle eine zusätzliche Hausaufgabenbetreuung für besonders bedürftige Kinder sein oder in Aachen-Laurensberg, wo viele ältere arme Menschen wohnen, eine Begegnungsstätte, nennt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beispiele. Gabi Bockmühl betont, dass die Integration von Langzeitarbeitslosen flankiert werden müsse etwa durch Coaching und Schuldnerberatung.
Mit zehn „Ehrenamtsstipendien“ zu jeweils 2400 Euro im Jahr wollen die Sozialdemokraten vor allem jungen Menschen das ehrenamtliche Engagement neben Studium oder Ausbildung erleichtern. Im Kulturbereich möchte die SPD andere Akzente setzen – weg von der Städteregion als Veranstalter etwa des Kulturfestivals, das sie abschaffen will, hin zur Unterstützung von kleinen Veranstaltern. Und die kulturelle Bildung müsse stärker gefördert werden, weshalb bei der Bildungszugabe zusätzliche 100.000 Euro eingesetzt werden sollen.
FDP setzt auf Strukturentwicklung
Recht zufrieden zeigt sich die FDP-Fraktion mit dem Haushalt. Allerdings hat sie drei elementare Änderungsvorschläge: Für die Gründung der Strukturentwicklungsgesellschaft „Städteregion GmbH“ wollen die Liberalen 1,5 Millionen statt 500.000 Euro bereitstellen. Finanziert werden soll dies durch den Verkauf von entsprechend mehr RWE-Aktien als von der Verwaltung geplant. Diese kalkuliert mit einem Erlös von lediglich einer halben Million Euro. Außerdem fordert die FDP ein Coachingprogramm für Langzeitarbeitslose, das mit 200.000 Euro ausgestattet werden soll.
Bei den übrigen Vorschlägen handelt es sich um das Drehen von eher kleineren Stellschrauben: Den 10.000-Euro-Zuschuss für den Verein „Altbau plus“ beispielsweise will sie streichen, die Unterstützung für das Grenzlandtheater – wie die Koalition auch – um 30.000 auf 75.000 Euro erhöhen. Und bei Klimaschutz und regenerativer Energie sehen die Freien Demokraten ein Einsparpotenzial von jeweils 20.000 Euro.
Die Linke und der Wohnungsbau
Für die Linke hat die Förderung des sozialen Wohnungsbaus „absolute Priorität“. Geld aus dem Verkauf von RWE-Aktien solle dafür bereitgestellt werden, fordert Fraktionschef Uwe Löhr, und eine höhere Ausschüttung des Sparkassen-Bilanzgewinns. Konzeptionell setzen die Linken in diesem Kontext auf ein Leerstandsregister. „Damit leer stehender Wohn-, Büro- und Gewerberaum unter kommunaler Regie in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden können“, sagt Löhr. Eine einschneidende Maßnahme fordert die Fraktion mit Blick auf bestehende und zukünftige Mitarbeiter der Städteregion: „Das Personalbewirtschaftungskonzept ist kontraproduktiv und sollte deshalb abgeschafft werden.“
KOSTEN ZUR UNTERKUNFT: SENKT DER BUND SEINE QUOTE BEI FLÜCHTLINGEN?
Kürzungen würden ein Loch von 9,4 Millionen Euro in den Haushalt reißen
Bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes am 11. Oktober hatte Gregor Jansen bereits eindringlich vor dem drohenden Szenario gewarnt, mittlerweile geht der Finanzdezernent davon aus, dass dieses eintreten wird: Eine geringere Erstattungsquote des Bundes für die Kosten der Unterkunft und Heizung von Flüchtlingen, wie sie im Sozialgesetzbuch II geregelt ist, würde ein beträchtliches Loch in den städteregionalen Haushalt reißen.
Konkret muss die Städteregion mit Mindereinnahmen von rund 9,4 Millionen Euro für 2019 rechnen, wenn die Quote, wie es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht, von derzeit 10,2 auf 3,3 Prozent gesenkt wird.
Während die Stadt Aachen wegen der zum neuen Jahr greifenden „differenzierten Umlage“ den ihren Bereich betreffenden Fehlbetrag von 4,76 Millionen Euro über eine Erhöhung der Umlage ausgleichen muss, will die Städteregion versuchen, das Defizit von 4,62 Millionen Euro, das für das Gebiet des Altkreises prognostiziert wird, ohne Zusatzbelastungen für die neun Kommunen zu kompensieren. Das soll mit gegenüber dem Haushaltsansatz zu erwartenden Mehreinnahmen sowie durch den Rückgriff auf die Ausgleichsrücklage geschehen, die in diesem Fall allerdings (wieder) erschöpft wäre.
Der Städteregionsausschuss hat die Entscheidung am Abend an den Städteregionstag weitergereicht, weil die Entscheidung des Bundesrates noch nicht vorlag.