Aachener Nachrichten, Verena Müller

Schüler schauen Lokalpolitikern über die Schulter

Alsdorf. Die Idee ist zwar nicht neu, aber für Alsdorf und sogar den Nordkreis wäre es eine Premiere: Schüler Kommunalpolitikern über die Schulter gucken zu lassen. Natürlich ist damit nicht gemeint, sie dabei zuschauen zu lassen, wie stapelweise Vorlagen gewälzt werden. Vielmehr sollen Ratsmitglieder als Mentoren fungieren.

Stattdessen sollen „Schützlinge“ zu Treffen der Fraktionen, in Ausschüsse und Rat eingeladen werden und auch bei Terminen in der Verwaltung dabei sein.

Wollen Kommunalpolitiker und Jugendliche zusammenbringen: Stadtverordnete Sandra Niedermaier (SPD) und der Juso-Vorsitzende Alsdorfs, Roland Pokall. Foto: Verena Müller

Große Zustimmung

„Jugendliche sind vielleicht über die Landes- und Bundespolitik informiert, aber was alles auf kommunaler Ebene passiert und hier entschieden wird, wissen vermutlich die wenigsten“, sagt der Juso-Vorsitzende Alsdorfs, Roland Pokall im Gespräch mit unserer Zeitung. Zusammen mit der Stadtverordneten Sandra Niedermaier (SPD) ist er einer der Initiatoren des Projekts, das offiziell unter dem Namen „KidS – Kommunalpolitik in der Schule“ läuft. In der letzten Ratssitzung vor den Osterferien hat die SPD-Fraktion den Antrag gestellt, dieses Vorhaben in Alsdorf umzusetzen – mit durchschlagendem Erfolg. „Wir sind sehr stolz darauf, eine so breite Zustimmung erhalten zu haben“, so Pokall. Konkret bedeutet das: einstimmig beschlossen.
Schüler der 9. und 10. Klassen sollen bald für sechs Wochen 1:1 einen Kommunalpolitiker begleiten dürfen. „Da muss man natürlich gucken, dass man das so legt, dass auch genügend Sitzungen stattfinden“, sagt Niedermaier. Als Startschuss ist eine allgemeine Einführungsrunde geplant, bei der die einzelnen Schüler ihren Mentoren zugeordnet werden.

Nach drei Wochen, also der Halbzeit, soll ein Mentorenwechsel stattfinden. Bislang hätten beispielsweise aus der SPD-Fraktion zwölf von 20 Mitgliedern zugesagt in diese Rolle zu schlüpfen, sagt Niedermaier.

Wie groß die Resonanzen auf Schülerseite ausfallen werden, könne sie noch nicht abschätzen. „Man muss aber nicht meinen, Jugendliche seien unpolitisch“, glaubt Niedermaier und verweist unter anderem auf das Projekt „Alsdorf#Läuftbeidir“, das vor fast einem Jahr in der K.O.T. (Kleinen Offenen Tür St. Castor) entstanden ist. Jugendliche zwischen zwölf und 22 Jahren diskutierten und notierten, was ihnen in Alsdorf fehlt. Genannt wurden unter anderem: freies W-Lan, mehr Multifunktionsplätze, eine sicherere und sauberere Stadt. Der Ball wurde nach Sammeln und Auswerten dieser Anregungen in den Jugendhilfe-Ausschuss gespielt. Mehr hat sich daraus allerdings nicht entwickelt. „Für die Jugendlichen ist das natürlich frustrierend“, sagt Niedermaier.

Zweites Beispiel (und mit konkreteren Ergebnissen): „Schüler gegen Tihange“ an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule. Mit verschiedenen Aktionen hatte die damalige Abiturklasse für ein Abschalten des Atommeilers geworben.

Die nächsten Schritte, die nun bei „KidS“ anstehen, sind die Kontaktaufnahme der Verwaltung mit den Schulen und die Benennung der einzelnen Mentoren durch die Fraktionen. Angeschrieben werden sollen alle Schulen in Alsdorf.

„Vielleicht sind die Resonanzen in der ersten Runde noch nicht so groß“, überlegt Niedermaier. Das Modell werde sich aber sicherlich rumsprechen und vielleicht in der nächsten oder übernächsten Runde größere Kreise ziehen. Denn grundsätzlich soll es daraus eine Dauereinrichtung werden.

Die Idee dazu stammt aus Osnabrück, über die Stadt Eschweiler gelangte sie in die Region, wo sie beispielsweise in Heinsberg und in ähnlicher Form in der Städteregion kopiert wurde.

Die Initiatoren sind sich bewusst, dass die teilnehmenden Schüler zunächst in einer passiven Rolle sind, erhoffen sich aber, nicht nur informieren, sondern auch Interesse wecken zu können. „Vielleicht erhalten wir über diesen Weg Anregungen für die Kommunalpolitik“, sagt Pokall. „Und es wäre natürlich schön, wenn Kontakte entstehen. Nicht zwingend ausschließlich zu den Jusos.“

Fehlender Schlüssel

Und auch das Jugendamt würde sich, wie es auf Nachfrage sagt, freuen, wenn es auf diesem Weg gelänge, Jugendliche für Politik zu interessieren und sie stärker einzubinden. „Bisher haben wir keinen Schlüssel gefunden“, räumt Günter Thimm ein. Alles stehe und falle mit Kontinuität. Seine bisherige Erfahrung: Sobald die Schule abgeschlossen ist, käme die aktive Mitarbeit schnell zum Erliegen. „Ich hoffe aber sehr, dass KidS ein guter Anstoß ist und dass das klappt.“

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