Lokale Stimmen von SPD-Politikern und aus der Berliner Koalitionspartei nach dem Rücktritt der Bundesvorsitzenden
NORDEIFEL Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Chefin und Fraktionsvorsitzende stürzt nicht nur die Partei selbst in eine Krise, auch die große Koaltion steht auf wackeligen Beinen. In den drei Eifeler Kommunen sind die Mitglieder der SPD-Ortsvereine über die Entscheidung von Nahles teilweise sehr überrascht. „Dass sie auf der Kippe stand, war klar. Aber dass es eine solche Dynamik entwickelt, hat mich erschrocken“, sagt Gregor Harzheim, Fraktionsvorsitzender der SPD in Simmerath.
Vereinbartes zu Ende bringen
Ihm sei klar gewesen, dass nach den schlechten Ergebnissen für die SPD bei den Europawahlen und den Wahlen in Bremen etwas passieren müsse, aber dass es solche personellen Veränderungen sein würden, damit hätte er nicht gerechnet. „Frau Nahles hat einen wirklich guten Job und gute Politik gemacht, aber die Art und Weise, wie teilweise mit ihr umgegangen wurde, war unterirdisch“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Auch wenn er persönlich finde, dass Nahles in der Öffentlichkeit gelegentlich keine so gute Figur gemacht habe, solle man mit Blick
auf die große Koaliton das zu Ende bringen, was vereinbart worden sei, und nicht vorzeitig die Groko beenden.
Auch Gregor Mathar, Vorsitzender der SPD Monschau, habe mit dieser Entscheidung „zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet“. Man müsse jetzt in jedem Fall eine starke Kraft an die Spitze der Bundes-SPD setzen, damit die Sozialdemokraten gestärkt aus der aktuellen Lage hervorgehen und nicht noch weiter geschwächt würden. Mathar sehe auch in der zweiten Reihe der SPD geeignete Leute, die für den Chefposten der Partei infrage kommen sollten. Vorerst werde die Groko zwar weiter bestehen, glaubt Mathar. „Aber es wird schon in eine andere Richtung gehen“, sagt er. Dass die Volksparteien auf Bundesebene gerade nicht den besten Ruf hätten, wisse er. „Wir müssen umdenken und mehr soziale Themen in den Vordergrund holen.“
„War ein richtiger Schritt“
Janine Köster, Vorsitzende der Roetgener SPD, befürwortet den Rücktritt von Nahles. „Es war ein guter und richtiger Schritt. Ich glaube, dass insbesondere Andrea Nahles in ihrer Zeit als Partei- und Fraktionsvorsitzende nicht dazu beigetragen hat, die Glaubwürdigkeit der SPD zu erhöhen“, kritisiert sie. Weiter: „Es ist wichtig, dass jetzt etwas Frisches an die Spitze gebracht wird.“ Auch Köster sieht in den zweiten Reihen geeignete Kandidaten. „Es macht keinen Sinn, jetzt jemanden aus der Berliner Ministerriege zu nehmen.“ Die Bundes-SPD müsse jetzt deutlich an Profil gewinnen und auch endlich den Klimawandel ernst nehmen. Köster selbst habe damals gegen die große Koalition gestimmt. „Ich wünsche mir endlich ein Ende“, sagt sie. Sie glaube, dass die Groko in der jetzigen Situation nicht mehr stabil sei und sich auch nicht mehr über die gesamte Legislaturperiode halten könne. Durch die Nähe zu den Bürgern und die Arbeit vor Ort „hoffen wir aber, dass wir auf lokaler Ebene die Vertrauenswürdigkeit der Bürger wahren können“.
Roetgens Bürgermeister Jorma Klauss, der ebenfalls der SPD angehört, sagt: „Den Rücktritt von Frau Nahles begrüße ich und habe ihn auch erwartet. Bei aller Diskussion über Inhalte, sind es in der Politik immer auch die Personen, die für die Inhalte stehen.“ In einer Krise müsse also auch personeller Wechsel stattfinden. Und dass Nahles sich nicht an ihr Amt klammert, sondern diesen Schritt zum Wohl der Partei geht, schätzt Klauss.
Eine direkte Auswirkung auf die Lokalpolitik habe der Rücktritt von Andrea Nahles nicht, sagt Janine Köster. „Aber natürlich werden wir vor Ort auch mit der Politik in Berlin konfrontiert“, erläutert sie. Es sei manchmal schwer, das bei der Parteiarbeit vor Ort aus dem Weg zu räumen. Durch die Nähe zu den Bürgern und die Arbeit vor Ort „hoffen wir aber, dass wir die Vertrauenswürdigkeit der Bürger wahren können“.
Wichtige Impulse bleiben aus
Aus der Sicht des Roetgener Bürgermeisters Klauss hat die aktuelle Lage allerdings insofern Auswirkungen auf die Lokalpolitik, „dass wichtige Impulse aus der Bundespolitik ausbleiben, beispielsweise im sozialen Wohnungsbau, der Unterstützung Alleinerziehender oder dem Klimaschutz“. Inwieweit sich die aktuelle Krise der Bundes-SPD auf zukünftige kommunale Wahlen auswirke, könne er nicht sagen. „Da es aber in kleinen Kommunen keine große Distanz zwischen den Bürgern und der Politik gibt, habe ich die Hoffnung, dass es bei den zukünftigen Kommunalwahlen vor allem um Lokalpolitik geht“, sagt Klauss.
Bernd Goffart, Vorsitzender der CDU in Simmerath, findet, dass Andrea Nahles „als Mensch in Ordnung ist, aber keine Person für die Führung einer so großen Partei ist“.
Michael Seidel, Vorsitzender der CDU in Roetgen, sagt, dass „Frau Nahles eigentlich einen guten Job gemacht hat, und die Enden der SPD gut zusammengehalten hat“. Am Ende seien es aber die schlechten Wahlergebnisse der Europawahl und die Kritik an ihrer Person gewesen, die das Fass zum Überlaufen gebracht hätten.
Für die Zukunft hoffe Micha Kreitz, Vorsitzender der CDU in Monschau, dass die Groko ihren Auftrag bis 2021 erfülle, denn sie „ist auch mit einer Mehrheit zustande gekommen“. Alle Beteiligten sollten jetzt noch ihre Themen, die es gibt, abarbeiten – „ohne den Parteienstreit in die Koalition zu tragen“, sagt Kreitz.
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