Nach der Schließungs-Verfügung für die Stadtresidenz Simmerath laufen Gespräche, um einen Nachfolge-Träger zu finden.
Simmerath. Es scheint alles wie immer zu sein in der Seniorenresidenz Simmerath: Das Haus mit seinen 80 Pflegeplätzen liegt friedlich am sonnenbeschienenen Rathausplatz und einige Bewohner genießen das Spätsommerwetter auf den Ruhebänken rundum. Was vielleicht auffällt ist, dass mehr Leute als sonst durch die automatische Tür des Haupteinganges ein- und ausgehen. Das sind nicht nur Angehörige, die ihre hier untergebrachten Familienmitglieder besuchen. Seit Dienstag weiß jeder, dass es im Inneren des Gebäudes mit der Ruhe vorbei ist, seitdem die Heimaufsicht der Städteregion Aachen wegen anhaltender und gravierender Pflegemängel die umgehende Schließung der Einrichtung angeordnet hat – und zwar sehr kurzfristig. Wenn dieser schlimmste anzunehmende Fall eintritt, denn würden am kommenden Dienstag, 4. Oktober, die derzeit 58 Bewohner vor die Tür gesetzt.
Dieses Horror-Szenario aber soll unter allen Umständen vermieden werden. In eng getakteten Gesprächsrunden versucht die Städteregion im Dialog mit dem Heimbetreiber eine Lösung zu finden, die es ermöglicht, dass die Bewohner in Simmerath bleiben können. Nach Gesprächen, die am Dienstagabend und auch den ganzen Mittwoch geführt wurden, ist jetzt nicht ausgeschlossen, dass durch einen kurzfristigen Trägerwechsel gesichert werden kann, dass der Betrieb in Simmerath weitergeführt kann.
„Verhalten optimistisch“
Für eine verträgliche Folgelösung machte sich der Simmerather Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns stark, auch wenn die Gemeinde weder Träger der Einrichtung, noch zuständige Fachaufsichtsbehörde ist. Aus einem Sechs-Augen-Gespräch mit zwei führenden Mitarbeitern der Alloheim GmbH ging Hermanns nach einer Stunde mit einem „verhalten optimistischen Gefühl“. Die Verantwortlichen der Einrichtung in Simmerath hätten erkennen lassen, dass der Betreiber an einem „vernünftigen Übergang“ des Seniorenheims in Simmerath interessiert sei. Auch sei die Bereitschaft nicht ausgeschlossen worden, die Seniorenresidenz ganz kurzfristig in andere Hände zu übertragen. Er habe in dem Gespräch die Erwartung ausgedrückt, dass es unbedingt notwendig sei, dass bei einer weiteren Informationsveranstaltung am Mittwochabend den Angehörigen ein „positives Signal“ verkündet werde. Es müsse, so Hermanns, in jedem Fall „eine Lösung im Sinne der betroffenen Bewohner geben“.
Die Gespräche wurden gestern auch vom Sozialamt der Städteregion forciert, nachdem die Angehörigen-Info am Dienstagnachmittag laut Beobachtern wohl sehr emotional abgelaufen ist. Ein Teilnehmer sprach von einer „skurrilen Mischung“. Auch ehemalige Beschäftigte meldeten sich neben Angehörigen, Bewohnern, Vertretern der Pflegekassen und zwei flugs aus Norddeutschland herbeigeeilten Vertretern der Alloheim GmbH zu Wort.
Städteregions-Sprecher Detlef Funken hält als Ergebnis der Gesprächsrunde fest, dass die Verantwortlichen der Betreibergesellschaft Bereitschaft hätten erkennen lassen, die Simmerather Einrichtung eventuell auf dem kurzen Weg an einen anderen Betreiber abzugeben. Das, so Funken, wäre selbstverständlich die eleganteste Lösung. „Wir warten nun auf weitere Signale.“ Gerade Menschen, die noch mobil seien, hätten kein Interesse, die Einrichtung zu verlassen.
Die Alloheim-Gesellschaft hielt sich gestern noch mit konkreten Äußerungen zurück, deutete aber Dialogbereitschaft an: „Wir führen zurzeit intensive Gespräche mit allen Beteiligten. Unser gemeinsames Ziel hierbei ist es, mit allen Beteiligten im Sinne der Bewohner und Mitarbeiter schnellstmöglich zu einer für alle Seiten zufriedenstellenden Lösung zu kommen“, sagt Alloheim-Sprecher Marcel Truempelmann.
Zu den Teilnehmern der Infoveranstaltung gehörte auch Bernd Dannemann. Er spricht von einer „recht lebhaften“ Stimmung. Unbeantwortet ist aber für ihn die Frage geblieben, warum die Heimbetreiber nicht auf die Beschwerden und Vorwürfe reagiert hätten, obwohl diese bereits seit einem halben Jahr im Raum gestanden hätten. Auch er hofft, dass seine 97-jährige Mutter wie auch die anderen Bewohner in Simmerath bleiben, zumal eine Verlegung der Bewohner aus seiner Sicht nicht umsetzbar sei. Die Städteregion habe eine Liste mit freien Plätzen in anderen Senioreneinrichtungen ausgelegt. Laut Dannemann seien exakt drei Plätze im Angebot gewesen. In einer Abstimmung unter Angehörigen hätten alle zum Ausdruck gebracht, dass man einer Verlegung nicht zustimmen werde.
Rückblickend hält Bernd Dannemann fest, dass er und auch viele andere Angehörige mit dem Haus eigentlich immer zufrieden gewesen wären, nur der eklatante Personalmangel sei immer mehr zum Problem geworden. „Heute war hier wieder was los“, habe seine Mutter immer wieder gesagt. „Dann habe ich gewusst, dass es mal wieder an der Flüssigkeitszufuhr gefehlt hat“. Auch wisse man, dass pflegebedürftige Bewohner nicht so wie erforderlich gelagert worden seien (Dekubitus-Prophylaxe). Dannemann: „Als Angehöriger habe man ja immerhin auf Missstände hinweisen können, aber ich möchte nicht wissen, wie es den Leuten ergangen ist, die keine Angehörigen haben.“ In der Seniorenresidenz war zuletzt eine Pflegefachkraft im Nachtdienst für die 58 Bewohner eingeteilt.
Leider Alltagsgeschäft
Leider Alltagsgeschäft ist für den bundesweit tätigen Pflege-Selbsthilfeverband (SHV) mangelnde Pflegequalität in Senioreneinrichtungen. Der SHV ist eine bundesweit tätige Selbsthilfeorganisation, die sich für die Wahrung der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen einsetzt. Eine zentrale Forderung lautet, dass der Gesetzgeber einen Personalschlüssel zur Besetzung von Nachtdienstwachen festlegt. Nur Bayern ist dieser Aufforderung nachgekommen.
Eine Sprecherin des Verbandes sagte am Mittwoch, dass es ein Ding der Unmöglichkeit sei, dass eine Pflegekraft im Nachtdienst 50 Bewohnern mit unterschiedlichen Pflege-Anforderungen bis hin zu demenziell veränderten Menschen gerecht werden könne. Auch beim SHV gingen häufig Beschwerden über nachlässige Pflege ein. Leider müsse man feststellen, dass in der Regel die Bewohner nachts medikamentös ruhig gestellt würden. Dies entspreche nicht dem Anspruch einer menschenwürdigen Versorgung, so die SHV-Sprecherin.
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