Erster ausgeglichener Haushalt seit 20 Jahren in der Gemeinde Simmerath. Satzung und Plan für 2020 vom Rat verabschiedet.
Simmerath Wenn der Gemeinderat den Haushalt beschließt und entscheidet, wofür im kommenden Jahr wie viel Geld ausgegeben wird, ist das die Gelegenheit für die Fraktionsvorsitzenden, mit der Verwaltung und den anderen Parteien abzurechnen. Es ist der Zeitpunkt, an dem Bilanz gezogen wird, Standpunkte klargemacht und Unterschiede verdeutlicht werden und erklärt wird, wie die zukünftige Entwicklung aussehen soll.
Zuvor hatten die Politiker in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses die Möglichkeit, ihre Änderungswünsche vorzutragen (wir berichteten), nachdem Kämmerer Bruno Laschet den ersten ausgeglichenen Haushalt seit 20 Jahren vorgelegt hatte. Die Vorschläge von SPD, UWG und FDP wurden mehrheitlich abgelehnt. Am Ende beschloss der Gemeinderat bei zwei Gegenstimmen der UWG, die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan für das Jahr 2020 zu verabschieden.
Einig waren sich alle Parteien in der positiven Bewertung des Haushaltsausgleichs, was sie auch dem scheidenden Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns und dem Kämmerer gegenüber zum Ausdruck brachten. Ein gemeinsamer Kritikpunkt war die Höhe der Umlage für die Städteregion Aachen. In einigen Punkten gingen die Meinungen aber durchaus auseinander.
Bund und Land in der Kritik
Auf dieses Ziel haben wir seit vielen Jahren hingesteuert.
Christoph Poschen,
CDU-Fraktionsvorsitzender
Die Schwarze Null stand im Mittelpunkt der Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Christoph Poschen. „Auf dieses Ziel haben wir seit vielen Jahren hingesteuert“, sagte er und sprach von einer guten Nachricht für alle Bürger. Gleichzeitig sei es nämlich gelungen, die Gebühren und Steuern niedrig zu halten. Er kritisierte die finanzielle Ausstattung der Kommunen durch Bund und Land und erwähnte auch die hohen Zahlungen der Gemeinde an die Zweckverbände und an die Städteregion. Der Haushaltsausgleich gelinge, obwohl in einigen Bereichen deutlich mehr investiert werde. Dazu zählte er unter anderem den OGS-Bereich, das Anruf-Linien-Taxi und die Förderung der Vereinsarbeit. Auf den Erfolgen wolle man sich aber nicht ausruhen, sondern die Grundlage für wichtige Investitionen schaffen, „und damit für eine weiterhin gute Entwicklung der Gemeinde“. Dazu zählte er beispielsweise die Entwicklung neuer Baugebiete, die Planung weiterer Windkraftanlagen sowie Investitionen in die Grundschulen Simmerath und Steckenborn als auch in die Sekundarschule. Mit Blick auf die Änderungsanträge von SPD und UWG erklärte er, dass die CDU immer offen für die Instandsetzung von Straßen und Wirtschaftswegen sei. Die Vorschläge zur Gegenfinanzierung seien seiner Partei aber „zu wackelig“. Die Forderung der UWG, zur weiteren Deckung ihrer Änderungsanträge möge die Verwaltung Einsparmöglichkeiten benennen, bezeichnete er als politischen Offenbarungseid.
Der Haushaltsausgleich wurde auch von dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Gregor Harzheim wohlwollend zur Kenntnis genommen. Dieser sei aber auch deshalb möglich gewesen, weil die Landesregierung den Kommunen inzwischen „Rechentricks“ einräume. Stattdessen solle sie die Kommunen lieber finanziell besser unterstützen, sagte Harzheim. Er kritisierte ebenfalls die an die Städteregion zu zahlende Umlage. „Die Städteregion scheint in finanzieller Hinsicht ein Fass ohne Boden zu bleiben“, meinte Harzheim. Die positiven Effekte für die Bürger bei den Steuern und Gebühren seien auch deshalb möglich, weil die SPD und die UWG ihre Forderungen nach einer Senkung der kalkulatorischen Zinssätze durchgesetzt hätten. Weitere Themen in seiner Rede waren die Kosten für den Straßenbau, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zum Hochschulabschluss und die Ausstattung der Schulen. Andere Schwerpunkte waren eine Verbesserung der Verkehrssituation und vor allem des ÖPNV, die Forderung von Park-and-Ride-Parkplätzen sowie die Betreuung der Flüchtlinge auf Langschoß. Harzheim ging außerdem auf die geplante Entwicklung des Zentralortes ein. Dass Simmerath Stadt werden wolle und man deshalb manch negative Entwicklung in Kauf nehmen müsse, zeuge nicht von planerischem Gestaltungswillen, sondern nur von Minderwertigkeitskomplexen. „Dass Simmerath Stadt wird, koste es was es wolle, ist nicht Ziel der SPD“, betonte Harzheim. Die Forderungen der SPD seien „wie gewohnt“ erstmal abgelehnt worden. „Aber wenn dann unsere Initiativen nach Wahrung einer Schamfrist in leicht modifizierter Form beschlossen werden, sind wir zufrieden“, sagte Harzheim und verwies darauf, dass der Haushaltsentwurf in einigen Punkten durchaus die Handschrift der SPD trage.
Die Städteregion scheint in finanzieller Hinsicht ein Fass ohne Boden zu bleiben.
Gregor Harzheim,
SPD-Fraktionsvorsitzender
Die Schwarze Null begrüßte auch UWG-Fraktionsvorsitzender Reinhold Köller und sprach von einer Trendwende. Er bestärkte die Verwaltung darin, sparsam mit Steuergeldern umzugehen und verwies darauf, dass vieles auch mit den Stimmen der UWG beschlossen worden sei. Der Haushaltsausgleich sei unter anderem auch dem außerordentlichen Fleiß der Bürger und einer damit einhergehenden Arbeitslosigkeit, dem Anstieg der Einnahmen aus der Gewerbesteuer in den vergangenen Jahren, dem Aufstellen weiterer Windkraftanlagen, geringen Ausgaben für die Zinsen sowie der konjunkturellen Entwicklung zu verdanken. Auch Köller kritisierte die an die Städteregion zu zahlende Umlage. Mit Blick auf die geplante Entwicklung des Zentralortes monierte er Defizite bei der Planung und der Einbeziehung der Bürger und Gewerbetreibenden. Köller würdigte die Erfolge der Gemeinde in verschiedenen Bereichen, an denen auch die UWG ihren Anteil habe. Er betonte aber, dass es dennoch einigen Änderungsbedarf gebe und erläuterte nochmals die Vorschläge der UWG und die Möglichkeiten, die dadurch entstehenden zusätzlichen Ausgaben zu decken. Es werde gerne vom Steuerparadies Simmerath gesprochen. Zum kompletten Bild würden aber auch die Gebühren gehören. So sehe es schon anders aus. „Wenn man dann die Höhe der Steuersätze in NRW vergleicht, ist Simmerath gerade noch Mittelmaß und weit entfernt von einem Steuerparadies“, sagte Köller.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Klaus Stockschlaeder, hielt eine für ein Kommunalparlament eher ungewöhnliche Rede, bei der die Herausforderungen durch den Klimawandel im Vordergrund standen. Es gebe keine neuen Belastungen für die Bürger, dafür aber „jede Menge“ neue Projekte. Das stehe für eine gemeinsame Leistung. Angesichts der Klimakrise stehe aber auch die Gemeinde Simmerath vor gänzlich neuen Herausforderungen, die auch „gewaltige Auswirkungen“ auf die zukünftigen Haushalte haben würden. Daher sei es nötig, das gesamte System umzubauen. „Jedes weitere Vorhaben der Gemeinde bekommt vor und während der Planungsphase eine neue Messlatte. Maßeinheit: Verringerung des CO2-Ausstoßes und Erhöhung der Ressourceneffizienz. Klimaschutz wird zur kommunalen Pflichtaufgabe mit Querschnittswirkung“, betonte Stockschlaeder. Dies betreffe die Umgestaltung des Verkehrssektors, den Bereich Bauen und Wohnen, die Bewirtschaftung von Flächen, die Förderung von Biodiversität, die Landwirtschaft und die erneuerbaren Energien.
Benjamin Steinborn (FDP) erklärte, der Haushalt zeige eine nachhaltige Entwicklung der ganzen Gemeinde auf. Dass es für die Bevölkerung und das Gewerbe stabile Preise gebe ohne Erhöhung der Steuern beziehungsweise große Veränderungen bei den Gebühren, sei das Wichtigste. „Also haben wir eigentlich alles richtig gemacht“, sagte Steinborn. Viele seiner Anregungen seien lediglich zur Kenntnis genommen worden, trotzdem werde er dem vorgelegten Haushaltsplan zustimmen.
K O M M E N T A R
Eine andere Streitkultur
Die Gemeinde Simmerath steht vergleichsweise gut da. Das liegt zum Teil auch an der Streitkultur im Gemeinderat. Dort sind sich die Parteien längst nicht immer in allen Punkten einig. Das wäre sonst auch traurig. In der Sache wird oft hart diskutiert. Das gehört zur Demokratie einfach dazu – und das ist auch gut so. Zu Demokratie gehört aber auch die Fähigkeit, Kompromisse eingehen zu können. Das ist nicht immer leicht zu akzeptieren. Manchmal tut es auch weh, wenn man seine Forderungen nicht im vollen Umfang oder auch gar nicht durchsetzen kann. Das darf dann aber nicht zu einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung führen. Sicherlich hätten SPD und FDP gerne gesehen, wenn ihre Änderungsvorschläge im Haushalt berücksichtigt worden wären. Obwohl das nicht der Fall ist, haben sie ihre Zustimmung nicht verweigert. Und das ist es, was den Rat der Gemeinde Simmerath auszeichnet: nämlich die Fähigkeit, miteinander zu streiten, und wenn es drauf ankommt, an einem Strang zu ziehen. Man kann es auch so ausdrücken wie Simmeraths Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns bevor über den Haushalt abgestimmt wurde: „Es gibt Kommunen in NRW, da wird mehr diskutiert, aber nicht so zielführend gearbeitet.“