Lammersdorf. „Mama, guck mal!“, ruft Laura begeistert und deutet auf eine weitere Pflanze. Laura gehört zu einer Gruppe von 27 Personen, aus Kindern und Erwachsenen bestehend, die jetzt an der Erlebniswanderung „Pflanzen zum Essen und Heilen“ teilnahmen. Bei entspannter Atmosphäre startet am Morgen an der Kalltalschule in Lammersdorf die Erlebniswanderung, geführt von Jörg Melchior, der als Förster für das Regionalforstamt Rureifel-Jülicher Börde tätig ist. „Pflanzen zum Essen und Heilen“ ist nur eines von vielen Themen, die in der ersten und in der letzten Ferienwoche unter dem Motto „Abseits der Wege – Wald mal anders erleben“ angeboten werden. Seit fast 20 Jahren bietet die Gemeinde Simmerath in der Sommerferien mit anhaltendem Erfolg ihre Walderlebnistage an.
Seile und Tee aus Brennnesseln
Nach einer kurzen Einweisung und Verteilung von Klebekarten, die die Kinder unterwegs kreativ gestalten können, lässt die Gruppe den Ort Lammersdorf bald hinter sich. Unter aufklarendem Himmel erfährt die Gruppe zunächst etwas über die Vielfalt eines im Vergleich kleinen Stückes „verwilderten“ Gartens. Begeistert erklärt Melchior, dass Brombeerblätter zur besseren Heilung von Wunden verwendet werden können, da sich das Gewebe durch den Saft zusammenzieht.
Die Brennnessel, die zu den Lieblingspflanzen Melchiors zählt, gilt nach seinem Vortrag, zumindest bei den Teilnehmern nicht mehr als ein lästiges Unkraut. Denn aus Brennnesseln kann man hervorragend Tee zubereiten, oder aber ihn zurechtgemacht unter den Salat heben.
Auch wenn das mehr oder weniger bekannte Eigenschaften der Brennnessel sind, so lassen sich doch auch einige erstaunliche Dinge aus Brennesselfasern herstellen. Unter den erstaunten Blicken der Kinder und Erwachsenen stellt Melchior ein reißfestes Seil her, indem er eine Faser aus dem Stamm zu Zwirn dreht. Auch hilft die weibliche Brennnesselpflanze gegen einige Arten des Heuschnupfens.
Bald stellt sich jedoch die Frage, wo genau Kräuter am besten gesammelt werden. „Möglichst nicht direkt am Wegesrand, nicht wo Pestizide oder Gülle in unmittelbarer Nähe eingesetzt werden und möglichst weit oben“, erklärt Melchior. Gesagt, getan: Freudig ziehen die Kinder los, um ihre Klebekarten mit unterschiedlichen Blüten, Blättern und Gräsern in allen möglichen Farben und Formen zu bestücken. Sie kommen jedoch immer dann zurück, wenn Melchior stehen bleibt, um erneut eine Pflanze vorzustellen. Die Erklärungen sind spannend und faszinierend; das ist auch in den Gesichtern der Kindern abzulesen.
Probieren und riechen
Immer wieder gibt es auch etwas zu probieren oder zu riechen. Genau das ist Melchiors Absicht, er möchte seine Zuhörer „mit allen Sinnen ansprechen und die Natur mit Humor und spannenden Geschichten den Menschen näherbringen“ und die, wie er sagt, „Scheuklappen“ öffnen. Es solle ein Gleichgewicht bestehen zwischen Natur schützen und Natur nutzen. Der Mensch sei ein Teil der Natur „und Radikalität in beide Richtungen nutzt nichts“, sagt er.
Diese Botschaft vermittelt Jörg Melchior bei den Walderlebnistagen jährlich an rund 600 Personen. Und das Interesse ist gestiegen: Im Jahr 2005 waren es nur knapp an die 200 Personen jährlich.
Viel Zeit bleibt nicht, denn schon hat ein Kind eine weitere interessant aussehende Pflanze entdeckt. Neben der Brennnessel lernen die Teilnehmer beim Weg in den Wald auch den Bärenklau, den Gundermann, den Breitwegerich und viele weitere Pflanzen der Heimat kennen. Immer wieder werden Kräuter in einem Körbchen mitgenommen, „für Kräutertaschen“, erklärt Jörg Melchior.
Endlich sind alle benötigten Zutaten beisammen und das Highlight der Veranstaltung kann beginnen. Eifrig werden die gesammelten Kräuter mitten im Wald zerkleinert. Vorsichtig werden die zerschnittenen Kräuter in einer Plastikschale gelagert. Zudem wird ein einfacher Teig aus Mehl, Salz und ein wenig Wasser hergestellt. Aus dem Teig werden kleine, flache Fläden geknetet und mit Kräutern gefüllt.
Gespannt warten alle auf die selbst gemachten Kräutertaschen, als diese über einer Flamme in dem kleinen Kochtopf in heißem Öl köcheln. Hungrig langen die Teilnehmer zu. Die Eigenkreationen schmecken nach Wald und nach Kräutern und sehen aus, wie ein Kind treffend bemerkte, „wie Chicken Nuggets“.
Nach einer kurzen Spülaktion werden die Kochutensilien wiemit, dass es „unnützes Unkraut“ eigentlich gar nicht gibt.
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